Politik/Ausland

Skandal um Sarkozy stürzt UMP in Krise

Es ist möglicherweise der Anfang vom Ende der politischen Laufbahn von Nicolas Sarkozy. Ausgerechnet zwei Tage nach dem Wahlerfolg der Rechtspopulistin Marine Le Pen (ihr „Front National“ kam auf Platz eins mit 25 Prozent) steht die konservative UMP (sie musste sich bei der Wahl mit Platz zwei mit 21 Prozent begnügen) und ihr eigentlicher Hoffnungsträger Sarkozy für die künftigen Präsidentenwahlen (2017) im Mittelpunkt eines heftigen Skandals.

Der bisherige UMP-Vorsitzende Jean-Francois Copé wurde am Dienstag von den übrigen Parteispitzen zum Rücktritt gezwungen. Copé stand schon seit längerem im Verdacht, einer Werbe- und Eventagentur, die von seinen Freunden geführt wird, bis zu 30 Millionen Euro aus der Parteikasse für nicht erbrachte Leistungen gezahlt zu haben. Am Montag kam es zum Eklat durch Geständnisse im Umkreis von Copé und Sarkozy: Diese Gelder waren für die vormalige Kampagne von Nicolas Sarkozy bei der Präsidentenwahl 2012 verwendet worden. Da Sarkozy damals die amtlich vorgeschriebene Obergrenze für Wahlkampfausgaben pro Kandidat von 22,5 Millionen Euro bereits erreicht hatte, wurden diese zusätzlichen Ausgaben vor den Behörden verborgen, indem die Werbeagentur Rechnungen für fiktive Seminare ausstellte.

Polizei durchsucht Parteisitz

Der Parteisitz der UMP wurde in der Nacht auf Dienstag von der Polizei zwölf Stunden lang durchsucht. Die Justizerhebungen werden unerbittlich weitergehen und dürften im Endeffekt auch Sarkozy einbeziehen. Für Frankreichs Medien, die diesen Skandal aufbrachten, steht Sarkozys Schuld de Facto außer Zweifel: dem damaligen bürgerlichen Präsidentschafts-Kandidaten konnte eine derartige Überziehung seiner eigenen Wahlkampfausgaben zumindest nicht verborgen bleiben.

Der Ex-Staatschef hat noch ein halbes dutzend weiterer Affären anhängig. Kann sich Sarkozy diesmal nicht herauswinden, und alles deutet daraufhin, dann würde er vermutlich für die Präsidentenwahl 2017 als Kandidat ausfallen – wodurch sich die Ausgansposition für Marine Le Pen noch verbessern könnte.

Die UMP wird bis zu eine außerordentlichen Kongress im Oktober von einem Triumvirat ehemaliger Premierminister geleitet. Viele ihrer Mitglieder sind demoralisiert, der jetzige Skandal verschärft noch die aktuelle Verdrossenheit und das enorme Misstrauen der Bevölkerung gegenüber den Politikern im Allgemeinen.

Auch programmatisch leidet Frankreichs einst vorherrschende bürgerliche Sammelpartei unter dem ständigen Tauziehen zwischen gegensätzlichen Strömungen, die zuletzt die EU-Wahlkampagne der UMP unkenntlich machten: ein nach rechts tendierender Flügel um Copé und Sarkozy nahm die EU ziemlich heftig aufs Korn und verlangte die Aufhebung des Schengener Abkommens über den freien Personenverkehr, während ein moderater Zentrums-Flügel die Vorteile der EU preiste.

Ein „Desaster“

„Wir haben nur mehr wenige Wochen, um die UMP vor einem Desaster zu retten“, erklärte Ex-Premier Francois Fillon, der beim Rücktritt von Copé federführend war. Fillon wird Mitte Juni gemeinsam mit zwei weiteren Ex-Regierungschefs, Alain Juppé und Jean-Pierre Raffarin, die provisorische Führung der UMP übernehmen. Der Kongress im Oktober soll einen „kompletten Neustart“ der Partei ermöglichen.

Letztlich geht es um den Bestand des Mitte-Rechts-Lagers in Frankreich und damit auch um eine potentiell mehrheitsfähige bürgerliche Kraft, die dem Sog von Marine Le Pen widerstehen kann. Wären die konservative UMP und die Zentrumspartei UDI, so wie meistens in der Vergangenheit, auch bei den EU-Wahlen gemeinsam angetreten, hätte der „Front National“ von Le Pen wohl nicht Platz eins belegt. Zusammengerechnet stimmten über 30 Prozent der Wähler für die moderaten bürgerlichen Oppositionsparteien.