Politik/Ausland

Als Trittbrettfahrer nach Europa

Ayman, 33, kommt aus der syrischen Hauptstadt Damaskus. Er ist mit seiner Familie vor dem Bürgerkrieg geflohen. Während seine Frau in einem türkischen Auffanglager geblieben ist, warten Ayman und seine drei Söhne am Wiener Westbahnhof auf den nächsten Zug. Die Familie will nach Deutschland. Sobald sie dort angekommen ist, soll auch die Mutter nachgeholt werden.

"Das ärgert mich ein bisschen"


Unsere Übersetzerin ist sich sicher: Ayman sagt die Wahrheit. Sie kommt ursprünglich aus Palästina und kennt den arabisch-syrischen Akzent. Doch sie gibt zu bedenken: Nur 50 Prozent der ankommenden Flüchtlinge, die sich als Syrer ausgeben, sind auch tatsächlich Syrer. „Das ärgert mich ein bisschen.“ In diesem Moment geht ein junger Mann vorbei. Er lächelt, begrüßt die Übersetzerin. Er sei Algerier, wolle nach Deutschland, habe aber keine Papiere, meint sie. Ob er zu allen so ehrlich ist? „Eher nicht.“ Als wir ihn später nach seiner Nationalität fragen, meint er plötzlich: „Syria, Syria“.

Währenddessen versucht Ayman sein Wertkarten-Handy aufzuladen – vergebens. Es hat einen Defekt, vibriert andauernd. Das Wasser habe während der Überfahrt am Meer sein Handy beschädigt. Sein jüngster Sohn spielt mit einem Matchboxauto, das er geschenkt bekommen hat.

Am Hauptbahnhof übersetzt ein anderer Dolmetscher die Angaben des 32-jährigen Syrers Abd-ar-Rahman. „Es gibt viele, die sich nur als Syrer ausgeben“, meint dieser. Afghanen, Libanesen, Pakistani, Türken, Kurden, Ägypter und vor allem Iraker. Sie würden sich teilweise noch auf ihrer Reise Geschichten überlegen, die später ihre syrische Herkunft beweisen sollen. Schon bei der Ankunft in Griechenland wird versucht, die Menschen in Nationalitäten zu trennen: in Syrer und Nicht-Syrer. Bei der Registrierung wollen viele ihre Fingerabdrücke nicht abgeben. Sie ritzen sich die Fingerkuppen auf – um ihre wahre Identität nicht preisgeben zu müssen.

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Viele Iraker geben zum Beispiel vor, Syrer aus der Gegend um Quamishli zu sein. Diese syrische Stadt liegt nahe der türkischen Grenze. Ihre Bewohner sprechen einen arabischen Dialekt, der auch im Irak weit verbreitet ist.

Falsche Syrer

Während der aus Aleppo stammende Abd-ar-Rahman die „falschen Syrer“ bis zu einem gewissen Punkt verstehen kann, finden es andere Landsleute „unfair“. Ein anderer Syrer empört sich: „Ich bin vor dem Krieg geflüchtet, andere nur aus wirtschaftlichen Gründen“. Er zieht seine Hose bis zum Knie hoch, deutet auf eine drei Zentimeter langes Einschussloch. Ein anderer Flüchtling hat eine ähnliche Verletzung auf der Stirn. Sie sei ihm von einem Raketenwerfer zugefügt worden. Nicht der „Islamische Staat“ sei dafür verantwortlich, sondern die Luftangriffe von Baschar al-Assads Armee. „Der IS hat nur Bodentruppen.“

Es ist schwer, die Aussagen der Menschen zu verifizieren. Viele Flüchtlinge sind ohne Papiere unterwegs, manche mit gefälschten Pässen. Das bestätigt die EU-Grenzagentur Frontex. Die Menschen würden wissen, „dass sie so einfacher Asyl in der EU erhalten“.

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