Seehofer bei Bier und Brezn statt Berlin
Raus aus Berlin, rein ins Bierzelt: Im oberbayerischen Töging am Inn konnte Innenminister Seehofer Donnerstagabend den Trubel der Hauptstadt hinter sich lassen. In den vergangenen Wochen musste er Häme für seinen Rücktritts-Rückzieher einstecken, es hagelte Kritik für seine Migrationspolitik und Wortmeldungen auf Pressekonferenzen. Die Werte der CSU rasselten in den Keller. Doch statt dies zu hinterfragen, witterte der CSU-Chef eine Kampagne.
Eine solche warf er nun bei Bier und Brezn seinen Kritikern vor: „Diejenigen, die jeden Tag dafür eintreten, dass man in der Politik Anstand und Stil zu bewahren hat, überschütten mich mit Worten, die weit unter der Gürtellinie sind“, sagte er, um dann fortzufahren: „Jetzt steht der böse Seehofer vor Ihnen – der Mörder, der Terrorist, der Rassist.“
Noch keine Migrationsabkommen
Aus seiner Perspektive konnte er sich Donnerstagabend ruhigen Gewissens auf die Bühne stellen: Immerhin sind die Ankerzentren in Betrieb, das Gesetz zum eingeschränkten Familiennachzug ist in Kraft. Seehofers Part im Landtagswahlkampf: Gesetze für einen härteren Kurs liefern. Aber war da nicht noch was?
Ja, die bilateralen Abkommen mit EU-Ländern wie Griechenland und Italien zur Rückweisung von Flüchtlingen bleibt er bisher schuldig. Zur Erinnerung: Mit seinem ursprünglichen Plan, Asylsuchende direkt an der deutschen Grenze abzuweisen, sprengte er kürzlich fast die Koalition. Nun hat man sich aber mit der SPD zu einem Kompromiss verständigt, Asylsuchende nur in jene Länder zurückzufliegen, wo sie einen Asylantrag gestellt haben – allerdings nur wenn es dazu bilaterale Vereinbarungen gibt.
Seehofer sollte sie eigentlich ausverhandeln. Seine selbst gesetzte Frist, Ende Juli/Anfang August Ergebnisse zu präsentieren, ist allerdings bereits verstrichen. Seine Sprecherin versuchte am Mittwoch in der Regierungspressekonferez alle Zweifel zu zerstreuen: "Die Verhandlungen laufen derzeit sehr positiv, sodass durchaus Optimismus angebracht ist", erklärte sie. Der Minister selbst zeigte sich während seiner Rede in Töging skeptisch. Es herrsche zwar ein "gutes Gesprächsklima", aber "ob das alles auf Dauer so aufgeht, werden wir sehen."