Politik/Ausland

Kurz kritisiert Trump und US-Außenpolitik

Die ersten Wochen der Amtszeit des neuen US-Präsidenten Donald Trump geben "definitiv Anlass zur Sorge". Diese Ansicht äußerte Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) am Dienstag am Flug nach New York im APA-Gespräch. Kurz warnte vor einer Verschlechterung der Beziehungen zum Iran und einer möglichen Abkehr von der Forderung nach einer Zweistaatenlösung im Nahost-Konflikt.

Auch ein Einreisestopp führe nicht zu einem "mehr an Sicherheit", sondern diskriminiere ganze Staaten und Religionsgemeinschaften, meinte Kurz. "Selbst wenn wir den Kampf gegen Radikalisierung und Terrorismus führen müssen."

Geschlossene Haltung bei Brexit

In der Brexit-Frage äußerte Kurz Verständnis für manche Position Großbritanniens, etwa beim Kampf gegen die illegale Migration oder gegen "überbordende Transferleistungen". Doch müsse die EU bei den Ausstiegsverhandlungen eine geschlossene Haltung zeigen. Die jüngst vom ehemaligen Spitzendiplomaten Wolfgang Petritsch geübte Kritik an seiner Balkan-Politik beeindruckt Kurz nicht. Petritsch sei SPÖ-nahe und habe in "Vorwahlkampfmanier" agiert.

Besuch bei UNO

Kurz besucht am Mittwoch als amtierender Vorsitzender der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) den UN-Sitz in New York. Schwerpunkte sind am Vormittag (Ortszeit) ein Briefing des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen sowie ein Treffen mit dem neuen Generalsekretär Antonio Guterres.

Ein wichtiger Aspekt des Gesprächs soll die "institutionelle Kooperation" zwischen den Vereinten Nationen und der OSZE sein. In Folge wird Kurz die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats über die Prioritäten des österreichischen OSZE-Vorsitzes informieren: "Die Bekämpfung von Radikalisierung und gewaltsamem Extremismus sowie die Bemühungen zur Schaffung neuen Vertrauens in Europa."

APA: Sie haben gemeint, der neue US-Präsident Trump müsse an seinen Taten gemessen werden. Nun gibt es bereits einige Erkenntnisse. Wie beurteilen Sie Trumps Ablehnung des Iran-Atomabkommens und das Abweichen vom Bestehen auf einer Zweistaatenlösung im Nahost-Konflikt? Trump ist auch kein EU-Freund. Welche Probleme kommen da auf uns zu?

Sebastian Kurz: Auch wenn es zu früh ist für eine abschließende Beurteilung seiner Amtszeit, die ja gerade erst begonnen hat, ist das, was wir in den ersten Wochen erlebt haben, definitiv Anlass zur Sorge. Ich würde eine Verschlechterung der Beziehungen zum Iran, insbesondere ein Infragestellen oder Aufkündigen des Atom-Abkommens für extrem negativ erachten. Nicht nur für die Region, sondern auch darüber hinaus.

Wir müssen den Kampf gegen Radikalisierung und Terrorismus führen, aber ein Visa-Ban, der ganze Staaten oder religiöse Gruppen unter Generalverdacht stellt, führt definitiv nicht zu einem Mehr an Sicherheit. In Nahost haben gerade wir Österreicher eine besondere Verantwortung, Israel bestmöglich bei der Wahrung seiner Sicherheitsbedürfnisse zu unterstützen. Das bedeutet aber nicht, dass man sich von der Zweistaatenlösung verabschieden sollte.

Nundespräsident Van der Bellen hat vor einer Woche eine flammende Rede vor dem EU-Parlament gehalten. Dabei hat er die Einheit der EU beschworen und vor "Kleinstaaterei" gewarnt. Fanden Sie die Rede gut?

Ich halte es für wichtig, dass wir einen ordentlichen Zusammenhalt in der Europäischen Union haben, denn gerade als kleiner Staat profitieren wir von einem starken Europa. Dieses Europa wurde durch das Brexit-Votum aber auch durch die Flüchtlingskrise massiv erschüttert. Wir müssen alles tun, damit Europa wieder an Stärke gewinnt.

Der Bundespräsident hat auch vor den Gefahren neuer nationalistischer Tendenzen in der EU gewarnt. Macht Ihnen das auch Sorgen? Wie bewerten Sie dabei etwa die Politik des ungarischen Premiers Viktor Orban? Oder der nationalkonservativen polnischen Regierung?

Mir macht vor allem Sorge, wenn Vereinbarungen und europäisches Recht gebrochen werden. Ganz gleich, ob das in Polen ist, oder während der Flüchtlingskrise die Dublin-Verordnung ohne Beschluss außer Kraft gesetzt wird, Flüchtlinge einfach weiterzuwinken. Oder wenn die Maastricht-Kriterien außer Kraft gesetzt werden, Staaten sich überschulden, und alle anderen die Leidtragenden sind. Daher halte ich es für entscheidend, dass wir die EU dadurch stärken, indem wir nicht mehr an Regeln und Regulierung schaffen, sondern den Mut zu weniger haben. Die vorhandenen Regeln müssen aber von allen eingehalten werden.

Und die beste Antwort auf die Frage zum Thema "Nationalismus oder eine immer stärkere Vertiefung der Union" ist definitiv das System der Subsidiarität: Eine EU, die stärker und tiefer ist in den großen Fragen wie Sicherheits-, Verteidigungs- oder Außenpolitik. Die sich aber in anderen Bereichen zurücknimmt und mehr den Mitgliedsstaaten bzw. Regionen überlässt.

EU-Kommissionspräsident Juncker befürchtet einen weiteren Zerfall der EU, betrieben durch die Briten, die einzelne Mitgliedsstaaten durch konkrete Versprechen gegeneinander ausspielen. Sie selbst gelten ja als Bewunderer Großbritanniens und seiner Politik, etwa im Wirtschafts- und Migrationsbereich. Können die EU-Partner auf Ihre Standfestigkeit in den Verhandlungen mit London zählen, zumal der österreichische EU-Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr 2018 in die heiße Phase der Brexit-Gespräche fallen wird?

Ich würde gerne zwei Bereiche auseinanderhalten: Großbritannien wird uns in der EU fehlen. Es hat in vielen Fragen eine richtige Haltung eingenommen. Wenn es darum ging, ungehinderte oder illegale Migration zu stoppen, die Wettbewerbsfähigkeit Europas weiterhin sicherzustellen oder Fehlentwicklungen wie überbordenden Transferleistungen innerhalb der EU einen Riegel vorzuschieben.

Diese Haltungen werden uns fehlen, weil sie ein wichtiger Gegenpol zu manchen sehr träumerischen Positionen mancher Mitgliedsstaaten waren. Bei den Verhandlungen mit Großbritannien ist es aber wichtig, dass wir als EU eine geschlossene und einheitliche Haltung haben. Sie dürfen nicht von den Mitgliedsstaaten einzeln geführt werden, sondern gemeinsam und von der Kommission koordiniert.

Sie waren jüngst in Mazedonien und Serbien und haben Ihre Rolle bei der Schließung der "Balkanroute" herausgestrichen. Ihre Politik wird aber auch kritisiert. Balkanexperte Wolfgang Petritsch meinte, die Westbalkanstaaten bräuchten Perspektiven und dürften nicht zu "Grenzbauern" degradiert werden. Trifft Sie so eine Kritik?

Überhaupt nicht, weil er SPÖ-nah ist und diese Kritik in Vorwahlkampfmanier äußert. Ich habe in Mazedonien und Serbien von den Regierungschefs und Außenministern positive Statements erhalten. Ich habe mit diesen Ländern sehr gute Beziehungen, die für mich mehr zählen als SPÖ-nahe Äußerungen des Herrn Petritsch. Zum Begriff "Grenzbauer": Wir haben ein großes Problem mit den Balkanstaaten gemeinsam gelöst. Da haben sie nicht nur uns unterstützt, sondern mit der Schließung der Balkanroute auch sichergestellt, dass sie keine Transitländer mehr sind, durch die jeden Tag 15.000 Menschen durchziehen.

Bundeskanzler Christian Kern drängt auf einen EU-Beitritt Serbiens. Er meinte bei seinem Belgrad-Besuch, jegliche "Zögerlichkeit" der EU sei ein "großer Fehler". Man dürfe die Region nicht der Türkei oder Russland überlassen. Warum hört man von Ihnen, der Sie an sich einen Westbalkan-Schwerpunkt haben, so deutliche Worte nicht mehr?

Wo hört man diese Worte nicht? Wann hat man jemals ein gegenteiliges Statement gehört? Ich habe mich erst letzte Woche bei meinem Besuch in Serbien und Mazedonien dafür stark gemacht, dass diese Länder eine zeitnahe europäische Perspektive brauchen. Es ist mir sogar vom serbischen Ministerpräsidenten gedankt worden, dass ich der größte Treiber in der EU dafür bin, dass diese Länder eine europäische Perspektive haben.

Sie argumentieren beim Thema Flüchtlinge oft, man müsse die Sorgen der Bevölkerung ernst nehmen. Besteht nicht die Gefahr, dass diese eher geschürt werden, wenn ständig nach Obergrenzen gerufen oder insinuiert wird, dass durch die Flüchtlinge die Kriminalitätsrate steigt?

Kurz: Wahrheiten darf man nicht verschweigen. Es gibt es ja nicht nur abstrakte Ängste der Bevölkerung, sondern ganz reale Probleme. Weit über den Sicherheitsbereich hinaus. Wir wissen, dass sich ein Großteil der Flüchtlinge sehr schwer tun wird, am Arbeitsmarkt in Österreich einen Job zu finden, und dass gerade bei Menschen aus ferneren Kulturkreisen die Integration in unsere Gesellschaft und das Annehmen unserer Grundwerte eine Herausforderung darstellt.

Wenn man nicht zugibt, dass es diese Probleme gibt, fehlt der erste Schritt in Richtung Lösung. Ich halte es für entscheidend, den Zustrom massiv zu reduzieren. Der Erfolg der Integration hängt vor allem von der Zahl der zu Integrierenden ab. Ich bin daher froh, dass durch die Schließung der Balkanroute der Zustrom von dort um 98 Prozent gesunken ist. Aber es kommen über andere Routen nach wie vor zu viele Menschen. Wir müssen die illegale Migration stoppen.

(Das Gespräch führte Edgar Schütz/APA)