Politik/Ausland

Vetternwirtschaft auf Bayerisch

Gut vier Monate vor den Wahlen in Bayern und den Bundestagswahlen gerät die CSU, politische Machtbastion südlich des Weißwurst­äquators, ins Wanken. Erst kam der Steuerskandal um den einst so hofierten Vorzeigemann Uli Hoeneß ans Licht; jetzt stehen 79 Abgeordnete (56 von der CSU, 21 von der SPD und eine Grüne) am Pranger. Fünf CSU-Politiker sind noch dazu Kabinettsmitglieder der Regierung Horst Seehofers, darunter die Justizministerin und der Finanzstaatssekretär. Allesamt haben sie auf Steuerzahlerkosten Ehepartner, Geschwister, Kinder oder Nichten bei sich angestellt. Das war zwar ab dem Jahr 2000 verboten, aber es blieben Schlupflöcher: Für gerade noch rechtzeitig beschäftigte Verwandte galt eine „Altfallregelung“.

Der Erste, der wegen der Affäre zurücktrat, war CSU-Fraktionschef Georg Schmid (60). Er zahlte seiner Ehefrau als selbstständiger Bürokraft gegen Rechnung monatlich bis zu 5500 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer. Sie hat ausschließlich für ihren Mann gearbeitet, was den Verdacht der Scheinselbstständigkeit nährt und einen Verstoß gegen das Sozialversicherungsrecht bedeuten würde. Sein Amt hat Georg Schmid schon verloren, jetzt fordert die Staatsanwaltschaft nach Informationen der Süddeutschen Zeitung vom Landtag die Aufhebung von Schmids Immunität.

Kinderarbeit

Der CSU-Finanzpolitiker Georg Winter nahm als Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Landtag auch schon seinen Hut. 2000 nutzte auch er das rechtliche Schlupfloch und heuerte seine beiden Söhne, damals 13 und 14 Jahre alt, zur Wartung seiner Computer an. Das war, urteilte der Landtag jetzt, verbotene Kinderarbeit: Die Kinderschutz-Verordnung erlaubt zwar, dass Kinder bei Feldarbeit mithelfen, aber Büroarbeit ist verboten. Winter weist das mit dem Verweis auf „zwei Gutachten angesehener Fachanwälte“ zurück. Er kündigte aber an, die Honorare für seine Söhne an die Staatskasse zurückzuzahlen.

Horst Seehofer, der die Debatte so schnell wie möglich vom Stammtisch haben will, macht Druck auf die Kabinettsmitglieder, ebenfalls die Verwandten-Honorare zurückzuzahlen. Willig zeigte sich Finanzstaatssekretär Pschierer, der 42.000 Euro überweisen will. Justizministerin Merk tat dies schon, wollte die Summe aber nicht nennen – nach Schätzungen sind es um die 40.000 Euro. Kultusminister Spaenle will dem Staat 34.000 rückerstatten. Agrarminister Brunner kündigte an, 13.500 Euro für soziale Zwecke zu spenden. Darüber denkt Innenstaatssekretär Eck noch nach.

Juristisch einwandfrei

SPD-Landeschef Christian Ude forderte den Rücktritt all dieser Regierungsmitglieder. Er hofft, von der Affäre bei den Wahlen im September profitieren zu können. Wobei: Auch 21 SPD-Politiker stehen auf der Liste, darunter Ex-Familienministerin Renate Schmidt.

Dank der „Altfallregelung“ haben sich die bayerischen Politiker nichts zuschulden kommen lassen. „Aber in der Öffentlichkeit herrschen Unverständnis und Kritik am Selbstbedienungsstil einiger Abgeordneter, die die Stillosigkeit besaßen, eine nur als Übergangsphase gedachte Regelung für sich und engste Familienangehörige fast anderthalb Jahrzehnte auszunutzen“, sagte der Politologe Heinrich Oberreuter dem Handelsblatt. Der Befund des CSU-Kenners und Parteimitgliedes fällt deutlich aus: „Es schadet der CSU und dem Ansehen des Parlaments geradezu irreparabel.“

CDU/CSU sind auf den schlechtesten Wert seit einem halben Jahr abgesackt. Laut „emnid“ verloren sie binnen einer Woche drei Prozentpunkte und liegen bei 37 Prozent. In der GMS-Umfrage für Bayern rutschte die CSU von 49 auf 47 Prozent. Allerdings: Gemessen an den vielen CSU-Millionen-Affären der Ära Franz Josef Strauß ist es eine Mini-Affäre.

Auf jeden Fall will Seehofer das Gesetz in den nächsten Tagen reparieren, die Übergangslösung fällt. Dann gilt das, was in ganz Deutschland gilt. Keine Extrawürste für Bayern mehr.