Rekord: Weltweit rund 80 Millionen Menschen auf der Flucht
Die Zahl der Menschen, die sich weltweit auf der Flucht befinden oder vertrieben wurden, hat im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht. Ein Prozent der Menschheit - 79,5 Millionen Menschen - ist bzw. sind Opfer von Vertreibung, wie ein am Donnerstag veröffentlichter Bericht des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR) zeigt.
Das sind um fast zehn Millionen mehr als noch im Vorjahr.
Der "besorgniserregende" Anstieg ist laut UNHCR einerseits auf die Situation in vielen Konfliktgebieten - insbesondere der Demokratischen Republik Kongo, der Sahelzone, im Jemen und in Syrien - zurückzuführen. So dauert etwa der Krieg in Syrien mittlerweile bereits neun Jahre und hat 13,2 Millionen Menschen zu Flüchtlingen, Asylsuchenden und Binnenvertriebenen gemacht. Das allein ist ein Sechstel der weltweiten Gesamtzahl.
Andererseits ist die Zahl der vertriebenen Venezolaner in den vergangenen Jahren stark gestiegen und konnte im "Global Trends Report 2019" erstmals "besser abgebildet" werden, erklärte das UNHCR. Viele der 3,6 Millionen geflüchteten Venezolaner seien zwar weder als Flüchtlinge noch als Asylsuchende registriert, weshalb sie in der Statistik auch extra ausgewiesen werden, sie bräuchten aber ebenso Schutz, betonte die UNO-Flüchtlingsorganisation.
Gestiegen ist auch der Anteil der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen (Menschen, die im eigenen Land vertrieben wurden), die sich in sogenannten Entwicklungsländern aufhalten. 85 Prozent aller Flüchtlinge befinden sich in ihrer Herkunftsregion. Entgegen der öffentlichen Wahrnehmung spielen sich Flucht und Vertreibung also hauptsächlich abseits der EU ab.
Die Binnenvertriebenen (IDPs/Internally Displaced Persons) machen auch einen Gutteil der Gesamtzahl von knapp 80 Millionen aus. 45,7 Millionen Menschen führt das UNHCR in seinem Bericht, der kurz vor dem Weltflüchtlingstag am Samstag (20. Juni) präsentiert wurde, als Vertriebene im eigenen Land bzw. Region an.
26 Millionen sind demnach anerkannte Flüchtlinge (20,4 Millionen unter UNHCR-Mandat plus 5,6 Millionen palästinensische Flüchtlinge), weltweit 4,2 Millionen Menschen warteten noch auf den Ausgang ihres Asylverfahrens. Rund 40 Prozent der Gesamtzahl der Flüchtlinge und Binnenvertriebenen, nämlich zwischen 30 und 34 Millionen, sind Kinder unter 18 Jahren.
Während die Gesamtzahl der Flüchtlinge und Vertriebenen global steigt, ist in Österreich die Zahl der Asylanträge in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Insgesamt stellten 2019 12.886 Menschen einen Asylantrag, das entspricht in etwa der Antragszahl von 2008 (12.841 Asylanträge).
Ein Grund für den konstanten Zuwachs bei den weltweit Vertriebenen - in den vergangenen zehn Jahren hat sich ihre Zahl fast verdoppelt - ist auch, dass immer weniger Flüchtlinge nach Hause zurückkehren können. Waren es während der 1990er-Jahre jedes Jahr durchschnittlich 1,5 Millionen, die in ihre Heimat zurückgingen, sank diese Zahl seit 2010 auf rund 390.000 jährlich.
Der "Global Trends Report" zeige damit, dass die Perspektive von Flüchtlingen auf ein rasches Ende ihrer Notlage zunehmend schwinde, kommentierte das Flüchtlingshochkommissariat in einer Aussendung. "Wir beobachten eine veränderte Realität", sagte auch UNO-Flüchtlingshochkommissar Filippo Grandi. Vertreibung sei "kein kurzfristiges und vorübergehendes Phänomen mehr".
Von den Betroffenen könne nicht erwartet werden, "jahrelang in Ungewissheit zu leben, ohne die Chance auf eine Rückkehr und ohne Hoffnung auf eine Zukunft an ihrem Zufluchtsort", so Grandi. "Wir brauchen eine grundlegend neue und positivere Haltung gegenüber allen, die fliehen, gepaart mit einem viel entschlosseneren Bestreben, Konflikte zu lösen, die jahrelang andauern und die Ursache dieses immensen Leidens sind", forderte der Italiener.