Politik/Ausland

Putin-Vertrauter: "Es braucht Kompromisse"

Der langjährige Chef der russischen Eisenbahnen gilt als enger Vertrauter Putins und wichtiger politischer Vordenker in Moskau. Zur Feier des 60. Jahrestages der österreichischen Neutralität war Wladimir Jakunin in Österreich.

KURIER: Wie beurteilen Sie den Gipfel in Wien? Gibt es Lösungen für Syrien?

Kein Land alleine kann die Probleme in dieser Krisenregion lösen. Die Welt muss verstehen, dass es dafür Kompromisse braucht und den guten Willen aller Beteiligten: die arabischen Länder, Europa, USA, Russland. Die Haltung der Amerikaner, dass sie exklusive Rechte, etwa für den Einsatz militärischer Gewalt, haben, ist nicht akzeptabel. Nur, um ihre eigenen Interessen zu verteidigen.

Wie beurteilen Sie die Haltung der USA?

Erinnern Sie sich an das Scheitern der UdSSR. Da meinte man auch, ein riesiges Land aus einem Zentrum, Moskau, steuern zu können.

Warum glaubt man heute, dass man die gesamte Weltpolitik, die gesamte Weltwirtschaft, von einem Zentrum aus steuern kann?

Im Nahen Osten, von Afghanistan bis Syrien sehen wir, dass das nicht funktioniert. Syrien ist Mitglied der UNO. Sollten wir nicht auch die zur Verantwortung ziehen, die gegen ein UN-Mitglied vorgehen? Gab es dafür Entscheidungen des Sicherheitsrates, der UN-Generalversammlung? Ich kenne keine. Wir müssen auf Basis internationalen Rechts vorgehen.

Sie glauben also an eine Zusammenarbeit mit Assad?

Warum existiert die Idee, dass man zuerst das politische System in Syrien zerstören muss? Und nachher kommt die perfekte Zukunft? Libyen, Irak – haben diese Krisen uns keine Lektionen gelehrt?

Was bedeutet für Sie Österreichs Neutralität heute?

In meinem politischen Verständnis ist Österreichs Neutralität extrem wichtig, und zwar eine aktive Neutralität, die auch bereit ist, sich im Auftrag der UNO für den Frieden zu engagieren. Die blockfreien Staaten spielten einst eine extrem wichtige Rolle, und ich glaube, es ist wichtig, die neutralen Staaten heute als Grundlage für eine neue politische Plattform zu betrachten.

Wie kann es in der Ukraine weitergehen?

Der Konflikt in der Ukraine wird als Konflikt zwischen Russen und Ukrainern dargestellt. Dabei ist es ein Bürgerkrieg, der durch sehr schädliche, aggressive Einflussnahme von außen entstanden ist, in einer sehr heiklen Situation. Hat nicht Bismarck gesagt, dass nur der Narr aus seiner eigenen Erfahrung lernen muss? Hat uns die Geschichte diese Lektion noch nicht gelehrt?

Es mag ja seltsame Menschen an der Spitze der Ukraine geben, die einen NATO-Beitritt anpeilen. Das sollte man aber lieber einen Psychiater beurteilen lassen und nicht politische Experten.

Wächst die Kluft zwischen Europa und Russland?

Das sind doch nur Versuche, die europäische Geschichte umzuschreiben. Auf einmal sind Nordafrikaner Europäer und nicht die Russen, das ist doch nicht ernst zu nehmen.

Wie kann man zu einem Ende der Sanktionen gegen Russland kommen?

Von Sanktionen könnte man nur sprechen, wenn diese vom UN-Sicherheitsrat verhängt worden wären, das ist die einzige Institution, die das kann. Es handelt sich also um einen wirtschaftlichen Krieg gegen Russland, der aufgrund der Entscheidung der USA eröffnet wurde.

Geht es in diesem Konflikt nicht auch um europäische Grundwerte?

In Europa spricht man so gerne von Freiheit und Transparenz. Aber was passiert gerade dem ungarischen Premier Viktor Orban? Ist das Demokratie, ist das Freiheit, jemanden so zu behandeln, ihn zu verdammen, nur weil er eine Haltung vertritt, die in Brüssel abgelehnt wird. Das ist ein nicht erklärter Wirtschaftskrieg, nur weil man die Politik eines Landes nicht mag.