Politik/Ausland

Prodi: "System der internationalen Sanktionen überdenken"

Der ehemalige EU-Kommissionschef Romano Prodi meint, das System der internationalen Sanktionen müsse überdacht werden, weil ihre Anwendung immer schwieriger geworden sei. "Die Kontrollen des internationalen Finanzsystems haben sich nach und nach abgeschwächt, und die finanziellen Maßnahmen sind sicherlich nicht in der Lage, die Transparenz der Wirtschaftsbeziehungen zu gewährleisten", erklärte Prodi im Gespräch mit der römischen Tageszeitung "Il Messaggero" (Samstagsausgabe).

"Darüber hinaus hat die Vervielfachung des internationalen Handels die Art und Weise der Produktion und die Beziehungen zwischen den verschiedenen Unternehmen verändert, die immer weniger identifizierbare Komponenten und Halbfertigprodukte hervorbringen. In der Tat haben sich die so genannten Wertschöpfungsketten so verändert, dass jedes Produkt eine unendliche Anzahl von materiellen oder immateriellen Komponenten enthält, die aus einer ebenso unendlichen Anzahl von Ländern stammen", erklärte der 84-jährige Prodi.

"Angesichts dieser Situation werden immer ausgefeiltere Sanktionen erwogen, wie die Enteignung des Kapitals russischer Oligarchen im Ausland und die Verhängung einer Preissenkung für das auf den internationalen Märkten verkaufte Öl. Allerdings muss noch das Hindernis der Anzahl und der Bedeutung der Länder überwunden werden, die die Sanktionen nicht akzeptieren. Wenn man die Völker und nicht nur die Länder berücksichtigt, sind diejenigen, die die Sanktionen nicht akzeptieren, sogar in der großen Mehrheit", erklärte der ehemalige italienische Regierungschef.

"Es ist daher unvermeidlich, sich zu fragen, inwieweit und unter welchen Bedingungen Sanktionen signifikante Ergebnisse an der militärischen Front erzielen können, ohne zu riskieren, dass die Länder, die sie verhängen, vergleichbare Opfer bringen wie die Bevölkerungen, die sie erleiden", betonte Prodi.