Politik in Zeiten der Pandemie
700 Menschen haben ihn im hessischen Frankenberg noch vor einigen Tagen als künftigen Kanzler gefeiert: Friedrich Merz schüttelte Hände, nahm ein Fußball-Trikot entgegen. Corona? Nein, es ging um den CDU-Vorsitz, den er erneut für sich beansprucht.
Vom Wettrennen um den Parteivorsitz spricht derzeit aber keiner mehr. Auch nicht Merz, der kürzlich die Leiterin seiner Bewerbungskampagne vorstellte und von Noch-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer gerügt wurde ("Jeder muss selbst entscheiden, welchen Fragen er Priorität einräumt"). Dienstagnachmmittag gab der 64-Jährige via Twitter bekannt, dass er positiv auf Corona getestet wurde. Seine Symptome sind mittlerweile stärker geworden, ließ er über den Nachrichtenkanal wissen und bedankte sich für den Zuspruch.
Auch in anderen Parteien gibt es Betroffene, aktuell sind fünf bestätigte Fälle von Bundestagsabgeordneten bekannt. Zuletzt musste die ganze FDP-Fraktion zum Test. Ihr Fraktionsvize Alexander Graf Lambsdorff ist nach einem positiven Testergebnis unter Haus-Quarantäne. Was passiert, wenn sich die Fälle häufen, ganze Fraktionen erkranken? Ab nächsten Montag steht eine Sitzungswoche an - dazu reisen Abgeordnete aus dem ganzen Land an, meist per Bahn oder Flugzeug. Bis jetzt gibt es keine Hinweise, dass man sie verschieben wird. Möglich wäre eine Art Notparlament mit deutlich dezimierter Abgeordneten-Zahl, so wie es etwa in Bayern praktiziert wird.
Man könne ein Ministerium auch von zu Hause führen, witzelte kürzlich Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), der wegen Corona-Verdachts zu Hause bleiben musste, allerdings nicht infiziert ist. Für einige seiner europäischen Kollegen ist das bereits Alltag. Seit bei Spaniens Gleichstellungsministerin Irene Montero das Virus diagnostiziert wurde, hat die Regierung auf Teleworking umgestellt. Ministerpräsident Pedro Sánchez ließ Treffen durch Videokonferenzen ersetzen, nur die Kabinettssitzung zur Krisenbesprechung findet persönlich statt. Ministerin Montero befindet sich in häuslicher Quarantäne, ebenso ihr Mann, Vizeregierungschef Pablo Iglesias.
Ein weiteres Paar, das nun zu Hause sitzt: Justin und Sophie Trudeau. Die Frau des kanadischen Premiers hat sich mit Covid-19 angesteckt. Er erledigt die Amtsgeschäfte nun von zu Hause aus. Er telefoniert mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, US-Präsident Donald Trump, dem italienischen Regierungschef Giuseppe Conte - und hält via Telefon Kontakt zum eigenen Kabinett.
Nicht nur einzelne Regierungschefs stehen vor Herausforderungen, auch die Organisatioren bilateraler Treffen im Großformat ist unter den Bedingungen der Ausbreitung des Virus schwierig. Mit Blick darauf, fand bereits vergangene Woche der Sonder-EU-Gipfel erstmals als Videoschaltung nach Brüssel statt. Dabei waren persönliche Treffen in Krisenzeiten bisher unausweichlich, etwa 2008 nach dem Bankencrash.
Was aber passieren kann, zeigte sich beim Besuch des brasilianischen Präsident Jair Bolsonaro bei US-Präsident Donald Trump. Nachdem erst ein Mitglied der brasilianischen Delegation positiv auf Coronavirus getestet worden war, stieg die Zahl schnell auf fünf. Trump selbst, der lange weiter unbeirrt Hände geschüttelt hatte, ließ sich nach einigen Tagen selbst testen - das Ergebnis war negativ.
Bundeskanzlerin Angela Merkel lud zuletzt ihre Gäste, den serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić ebenso Luxemburgs Ministerpräsident Xavier Bettel, im Einvernehmen wieder aus - und sprach mit ihnen jeweils via Videokonferenz. Außenminister Heiko Maas (SPD) hat nächste Woche Dienstag ein Treffen mit den baltischen Staaten per Videoschalte geplant. Experten sehen darin nicht unbedingt einen Nachteil. Die dpa zitierte einen hochrangigen EU-Diplomaten, der kürzere Gespräche besser findet, denn so "wird weniger um den heißen Brei herumgeredet", sagte er. Durch Video- oder Telefonschaltungen wären alle etwas gestresst und es sei anstrengender, sich auf dem Bildschirm gegenseitig anzustarren als nebeneinander zu sitzen.
Was heißt das für Journalisten?
Was das alles für Journalisten heißt? Anders als in Österreich sind in Deutschland noch einige mehr Vertreter bei Medienterminen zugelassen, allerdings sind die Plätze limitiert. Wer jetzt eine Pressekonferenz mit der Bundeskanzlerin besuchen will, muss sich online anmelden - die ersten 20 Anmeldungen kommen rein. Für Bildpresse und gibt es Pools. Ist man erst mal drinnen, ist eine weitere Neuerung sichtbar: Statt den engen Sitzreihen, sind die Sessel großzügig von einander entfernt, platziert.
In den Ministerin arbeitet man indessen auch an Lösungen: Nach der Videoschalte von Außenminister Maas mit den baltischen Staaten könnte es erstmals eine virtuelle Pressekonferent geben, berichtet eine Sprecherin. In der Bundespressekonferenz - dem Verein der Hauptstadtkorrespondenten, der drei Mal wöchentlich die Sprecher der Ministerin und der Regierung einlädt - ist aktuell eine Obergrenze von 50 Personen erlaubt. Wer es nicht schafft, kann sich einen Live-Stream ansehen und dazu online Fragen abschicken.