Polen berät über Demo-Verbot für LGBTQ-Community
aus Warschau Jens Mattern
Die Regenbogenfahne hängt in Warschau von Balkonen, ziert Jutetaschen sowie Aufstecker. Die Symbolfarben der sexuellen Minderheiten (LGBTQ) sowie deren Recht auf Demonstrationsfreiheit könnten jedoch in Polen bald verboten werden.
Am Donnerstagabend fand im Sejm (Parlament) die erste Sitzung zu dem Gesetzesentwurf mit dem plakativen Titel "Stop LGBT" statt. Die Initiative der katholischen Aktivistin Kaja Godek sieht vor, dass öffentliche Versammlungen verboten werden. Deren Ziel es sei, "die Ehe als Gemeinschaft zwischen Mann und Frau infrage zu stellen". Auch soll die Propagierung der Rechte von LGBTQ-Personen (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Queer) untersagt werden.
Die 39-Jährige, die besonders für ihre Forderung eines totalen Abtreibungsgesetzes bekannt ist, ist stark vernetzt mit katholischen Initiativen, die auch der Regierungspartei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) nahe stehen.
Die Sitzung ging nicht ohne Proteste vonstatten: Vor dem Sejm protestierten am Donnerstag verschiedene Organisationen für LGBTQ-Rechte und Versammlungsfreiheit. Auf Transparenten stand etwa "Liebe kennt kein Geschlecht".
Die sogenannten Christopher Street Days, bei denen sexuelle Minderheiten offen ihre Andersartigkeit demonstrieren und mehr Rechte einfordern, sind in Polens Städten unter dem Namen "Parade der Gleichheit" erst seit einigen Jahren möglich.
Kampfansage
Vorkämpfer für die Versammlungsfreiheit ist Robert Biedron, der Gründer der „Kampagne gegen Homophobie“, der dies erstmals 2001 in Warschau umsetzte. Derzeit ist er Abgeordneter des Europaparlaments.
Justyna Nakielska von derselben Kampagne stand am Donnerstag vor dem Sejm und erklärt: "Die psychische Verfassung vieler LGBTQ-Personen ist aufgrund der Anfeindungen sehr schlecht. Unsere Minderheit hat faktisch keinen rechtlichen Schutz in Polen." Sie fordert unter anderem die "Homo-Ehe" sowie das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare, Filmemacher und LGBTQ-Aktivisten: "Dafür gehen wir weiterhin auf die Straße. Sollte es zu Verhaftungen kommen, dann gehen die Bilder um die Welt."
Auch die EU hat ein Auge auf Polens Diskriminierung sexueller Minderheiten: Nachdem sich im Vorjahr 100 Städte und Dörfer zu "LGBT-freien Zonen" erklärt hatten – vor allem im streng katholischen Südosten des Landes –, hatte die EU im Juli ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Nach finanziellem Druck hat Südpolen seinen Status als sogenannte LGBTQ-ideologie-freie Zone im September wieder aufgehoben.