Politik/Ausland

Kurdenchef ruft zu Frieden auf

Es ist nicht der erste Friedensappell des alten Guerillakämpfers, doch diesmal tönte die Botschaft lauter denn je. Am Samstag, dem Tag des kurdischen Neujahrsfestes, wurde im Stadtzentrum der türkischen Kurdenmetropole Diyarbakir ein Brief von Abdullah Öcalan verlesen. Hunderttausende feierten die von zwei kurdischen Parlamentsabgeordneten vorgetragene Mitteilung, die kaum deutlicher hätte ausfallen können. „Es ist an der Zeit die grausame und zerstörerische Geschichte zu beenden und eine Ära des Friedens und der Brüderlichkeit zu beginnen“, schreibt der seit 1999 auf einer Gefängnisinsel bei Istanbul inhaftierte Chef der kurdischen Arbeiterpartei PKK. Der bewaffnete Kampf müsse beendet werden.

Schon vor einem Monate hatte Öcalan seine Anhänger aufgefordert, die Waffen niederzulegen und damit den seit Jahrzehnten andauernden Krieg gegen die türkische Regierung zu beenden. Ein Kongress der PKK soll ihre neue politische Position als demokratische Opposition innerhalb der Türkei festlegen und die Basis für neue Friedensverhandlungen mit der Regierung bilden.

Syrien als Streitpunkt

Schon 2012 hatte Öcalan eine ähnliche Offensive gestartet, doch die Verhandlungen kommen seit Monaten nicht vom Fleck. Grund sind die unterschiedlichen Interessen beider Seiten im Bürgerkrieg im Nachbarland Syrien. Die kurdischen Kämpfer in Syrien, die etwa in der Stadt Kobane den Sieg über die Terrormiliz IS über Monate erkämpft haben, sind eng mit der türkischen PKK verbunden und werden von dieser mit Waffen und Kämpfern unterstützt. Die türkische Regierung dagegen hat sich im Krieg gegen den IS lange Zeit demonstrativ zurückgehalten, was den Vorwurf laut werden ließ, dass man den Vormarsch der Terroristen zumindest indirekt begünstige – auch um den verfeindeten Kurden zu schaden. Präsident Erdogan erklärte öffentlich, die kurdischen Kämpfer seien nicht besser als der IS.

Inzwischen aber hat die Regierung in Ankara klarer Stellung bezogen: Man lässt kurdische Kämpfer offiziell aus der Türkei nach Syrien ausreisen, verspricht Hilfe zum Wiederaufbau in den syrischen Kurdenregionen. Für die PKK bedeutet das eine Stärkung ihrer Position innerhalb der verschiedenen Kurdenfraktionen, die seit langem in interne Machtkämpfe verstrickt sind. Doch die wachsende Hoffnung auf einen gemeinsamen Staat aller Kurden in der Region lässt die Konkurrenten zusammenrücken.