Österreich friert Konto von Janukowitsch ein
Die neue Führung der Ukraine will der gestürzten Machtelite, an deren Händen Blut klebt und die der Korruption verdächtigt wird, den Geldhahn zudrehen. Deshalb erging an Österreich und die Schweiz eine Liste samt der Bitte, etwaige Konten dieser Personen – angeführt von Ex-Präsident Viktor Janukowitsch und dessen Sohn Oleksandr – zu sperren. Mit Erfolg. Wien und auch Bern wurden aktiv.
Es handle sich um eine "vorläufige Sicherheitsmaßnahme, bis entsprechende EU-Maßnahmen in Kraft treten", erklärte das Außenamt in Wien. Den Banken wurden daher von der Oesterreichischen Nationalbank die 18 Namen jener Ukrainer übermittelt, deren Konten einzufrieren seien (alle Namen siehe unten).
Banken alarmiert
Dass es ihnen gelungen sein könnte, in den letzten Wochen der Regierungsproteste in Kiew die Konten in Österreich zu plündern und das Geld zu transferieren, wird von Experten ausgeschlossen. Hierzulande seien jedenfalls vom Kassier bis zum Bankdirektor alle alarmiert gewesen, erklärt ein Banken-Insider dem KURIER. Im Vergleich zu vor zehn, 15 Jahren gebe es heute eine viel größere Sensibilität für Geldwäschefragen. Und es wäre auch im gesamten EU-Raum – und darüber hinaus – schwierig, eine Bank zu finden, die das Geld anlegen würde.
Fraglich ist, welcher von den bis zur Vorwoche mächtigen Ukrainern tatsächlich Geld und in welcher Größenordnung unter seinem Namen auf österreichischen Geldinstituten liegen hat. Zum Vergleich: 2011 hatte Österreich ähnliche Sanktionen gegen Muammar al-Gaddafi ergriffen. Es fand sich allerdings kein einziges Konto, das dem gestürzten libyschen Potentaten zugeordnet hätte werden können.
Das könnte im Fall der Ukrainer, denen Korruption, Machtmissbrauch und der Tod von Regimegegnern angelastet wird, ähnlich sein. Denn sollten sie tatsächlich Geld in Österreich deponiert haben, dann wohl eher über Konstruktionen, die nicht leicht zu durchschauen sind.
Im österreichischen Firmenbuch findet sich jedenfalls nur einer der 18 zu sanktionierenden Personen: Andrij Kljujew mit seinem Konzern Slav AG in der Wiener Wipplinger Straße. Er und sein Bruder Sergij, enge Vertraute und Parteigänger von Janukowitsch, wollten 2006 die Bank Burgenland kaufen. Obwohl sie Bestbieter waren, machte ihnen damals die Politik einen Strich durch die Rechnung. Den Zuschlag erhielt stattdessen die Grazer Wechselseitige.
Schweizer Justiz aktiv
Als Finanzplatz sei für Ukrainer, Russen, Weißrussen und Kasachen nach Ansicht von Herbert Stepic, Ex-Vorstand der Raiffeisen Bank International, ohnehin die Schweiz interessanter. Die dortige Justiz ist auch schon aktiv: Am Donnerstag wurden die Büros der Firma des Präsidentensohnes Oleksandr Janukowitsch durchsucht. Gegen ihn und seinen Vater wurden Ermittlungen wegen "schwerer Geldwäsche" eröffnet. Zudem blockierten die Eidgenossen am Freitag alle etwaigen Konten von 20 Ukrainern.
Sergiy Arbuzov, ab 24.3. 2014 ehemaliger Premierminister, zuvor Erster Vizepremierminister und Gouverneur der ukrainischen Nationalbank
Mykola Azarov, ehemaliger Premierminister (bis 28.1.2014), Parteichef der Partei der Regionen
Mykhaylo Dobkin, Gouverneur der Provinz Charkow, Gründer der ukrainischen Front
Yuriy Ivanyushchenko, Mitglied des Parlaments (Partei der Regionen)
Hennadiy Kernes, Bürgermeister von Charkow
Andriy Kluiev, ehemaliger Leiter des Präsidialamtes, zuvor Leiter des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates (mehr zu ihm hier)
Oleksandr Klymenko, ehemaliger Minister für Einnahmen und Steuern
Valeriy Koryak, Polizeichef von Kiew
Olena Lukash, ehemalige Justizministerin
Oleksandr Popov, ehemaliger Leiter der Stadtverwaltung von Kiew
Viktor Pshonka, ehemaliger Generalstaatsanwalt
Stanislav Shuliak, Generalleutnant, Kommandant der Innentruppen des Innenministeriums
Volodymyr Sivkovych, ehemaliger stellvertretender Leiter des nationalen Sicherheits- und Verteididungsrates, zuvor Vizepremierminister für Polizei, Verteidigung und Staatsanwaltschaft
Eduard Stavytskyy, ehemaliger Minister für Energie und Kohleindustrie, zuvor Minister für Umwelt und Bodenschätze
Oleksander Yakymenko, ehemaliger Leiter des Sicherheitsdienstes (SBU)
Oleksander Yanukovych, ukrainischer Geschäftsmann, Sohn des ehemaligen Staatspräsidenten Yanukovych
Viktor Yanukovych, ehemaliger Staatspräsident
Vitaliy Zakharchenko, ehemaliger Innenminister
Sie bewohnen schmucke Villen am Wiener Stadtrand und steuern ihre Geschäfte über dezente Holdinggesellschaften in bester Innenstadt-Lage – nicht nur der russische Geldadel, sondern auch die ukrainische Wirtschafts- und Polit-Elite schätzt Wien als sicheren Hafen in stürmischen Zeiten.
"Das hat seit den 90er-Jahren Tradition. Wien ist bis heute der Honigtopf für Oligarchen aus der früheren Sowjetunion und von ganz besonderer Bedeutung", sagt der deutsche Journalist und Ost-Mafia-Experte Jürgen Roth zum KURIER. "Jene ukrainischen Oligarchen, die jetzt möglicherweise mit Fluchtgeld nach Wien kommen, wissen, dass sie hier nicht viel zu befürchten haben, weil die Politik seit Jahren blind ist." Nachsatz: "In Wien leben diese Oligarchen unter dem Schutzdach des russischen Nachrichtendienstes FSB oder des ukrainischen SBU, die beide hier stark vertreten sind." Während die ukrainische Opposition diese "Wahl-Österreicher", wie die Familie des früheren Ministerpräsidenten Mykola Asarow, mit allerlei Verdächtigungen über auffällige Vermögensanhäufungen überziehen, gibt es für die Neureichen aus der Ukraine auch gute legale Gründe, sich in Wien eine zweite Heimat zu schaffen.
"Der Vermögensschutz und die Sicherheit sind in Wien viel höher als anderswo", sagt ein österreichischer Unternehmer mit langjähriger Ukraine-Connection. "Außerdem gibt es sehr viele steuerliche Vorteile."
Die Körperschaftssteuer ist im Vergleich zu anderen Ländern niedrig, und die Gruppenbesteuerung für Konzerne ein großer Vorteil. Zugleich können die Ukrainer hierzulande ein Netz von Doppelbesteuerungsabkommen auskosten.
Diese Vorteile nutzen offenbar auch die Unternehmer-Brüder Andrej und Sergij Kljujew, zwei enge Vertraute und Parteigänger des Präsidenten Viktor Janukowitsch.
Sie haben schon 1995 ihre Zelte in Wien aufgeschlagen. Ihr Konzern Slav AG mit Sitz in der Wiener Wipplingerstraße weist 2012 rund 356 Millionen Euro Eigenkapital aus, die Fäden des Konzerns ziehen sich bis nach Zypern und den British Virgin Islands. Die Kljujews, die u. a. in der Schwerindustrie tätig sind, wollten 2006 die Bank Burgenland kaufen. Obwohl sie Bestbieter waren, wurde ihnen die Grazer Wechselseitige vorgezogen. "Das hat sie extrem verärgert", sagt ein früherer Geschäftspartner der Kljujews. Infolge stiegen Kljujews bei der insolventen Wiener Immobiliengruppe SEG/CEE ein. Sergej Kljujew residiert in der Wienerwald-Ortschaft Tulbingerkogel.