Nawalny-Prozess: 1.400 Festnahmen in Moskau nach Urteil
Bei Protesten nach dem Urteil gegen den Kremlgegner Alexej Nawalny sind am Dienstagabend mehr als 1.400 Menschen festgenommen worden. Das teilte die Nichtregierungsorganisation OWD-Info auf ihrer Website mit. Allein in Moskau habe die Polizei 1.116 Protestierende in Gewahrsam genommen. Rund zwei Wochen nach seiner Rückkehr nach Russland war der russische Oppositionelle zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verurteilt worden.
Nawalny habe gegen Bewährungsauflagen verstoßen, hieß es zur Begründung. Die Anwälte des 44-Jährigen kündigten umgehend Berufung an. Das Verfahren galt als politisch motiviert. Seine Vertrauten riefen nach dem Urteil zu weiteren Protesten in der Hauptstadt auf. Bereits an den zwei vergangenen Wochenenden hatten im ganzen Land Zehntausende Menschen gegen den Staatschef demonstriert, über 5.000 wurden festgenommen.
Bereits während der mehrstündigen Gerichtsverhandlung nahm die Polizei am Dienstag immer wieder Menschen in Gewahrsam. In St. Petersburg gab laut OWD-Info 246 Festnahmen. Auch in anderen Städten fanden Proteste statt und wurden Menschen in Gewahrsam genommen.
"Putin ist ein Dieb!"
Bei Protestzügen skandierte die Menge "Freiheit" und "Putin ist ein Dieb!". Die Demonstranten warfen Präsident Wladimir Putin vor, ihnen demokratische Freiheiten zu rauben. Die Sicherheitskräfte gingen brutal gegen die zumeist jungen Protestierenden vor und nahmen viele von ihnen über Stunden fest. Laut Augenzeugen prügelten die Polizisten unter anderem mit Gummiknüppeln auf die Demonstranten ein. Von russischen Medien veröffentlichte Videos zeigten, wie Demonstranten von der Polizei durch die Straßen und auch in d.ie U-Bahn hinein verfolgt wurden. In Videos war auch sehen, dass Protestierende von Polizisten aus Taxis gezerrt wurden.
Erneut gerieten auch Journalisten ins Visier der Einsatzkräfte. Es gab mehrere Festnahmen. In einem Video war zu sehen, wie ein Beamter der auf Anti-Terror-Einsätze spezialisierten Sonderpolizei OMON auf einen Medienvertreter einschlug, der dann am Boden liegen blieb. Bereits am Sonntag gab es international Kritik wegen der Polizeigewalt.
Ein Moskauer Gericht entschied am Dienstag, dass der nach einem Giftanschlag in Deutschland behandelte Nawalny eine bereits verhängte Bewährungsstrafe nun in einer Strafkolonie ableisten muss. Von der dreieinhalbjährigen Bewährungsstrafe wurde ihm ein früherer Hausarrest abgezogen. Laut Nawalnys Anwältin Olga Michailowa läuft dies auf "ungefähr" zwei Jahre und acht Monate Haft hinaus. Sie kündigte an, gegen das Urteil in Berufung gehen zu wollen.
Das Urteil rief international Empörung hervor. Die russische Regierung wies die internationale Kritik an dem Urteil als "Einmischung" zurück. Die Forderungen "westlicher Kollegen" nach Freilassung Nawalnys seien "von der Realität abgekoppelt", zitierten russische Nachrichtenagenturen eine Sprecherin des Außenministeriums.
Kritik an Putin vor Gericht
Nawalny hatte sich in der Gerichtsanhörung vehement gegen seine Verurteilung gewehrt und die Russen zum Widerstand gegen Putin aufgerufen. Er machte den Staatschef erneut für den auf ihn verübten Anschlag verantwortlich.
Der auf Nachforschungen zu Korruption spezialisierte Oppositionelle war 2014 wegen des Vorwurfs der Unterschlagung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden, die Strafe wurde aber zur Bewährung ausgesetzt. Nun wurde dem 44-Jährigen unter anderem vorgeworfen, er habe sich während seines Aufenthalts in Deutschland nicht zweimal monatlich bei den Behörden gemeldet.
Der Kreml-Kritiker bestritt vor Gericht, gegen die Bewährungsauflagen verstoßen zu haben. Er habe den russischen Behörden seine deutsche Adresse mitgeteilt, sagte er. Nach Deutschland war Nawalny nach dem in Sibirien verübten Giftanschlag gebracht worden, durch den er beinahe getötet worden wäre.
Nawalny wurde dann direkt nach seiner Rückkehr aus Deutschland am 17. Januar am Flughafen in Moskau festgenommen und im Eilverfahren zu 30 Tagen Haft verurteilt. Es war eine von bereits mehreren kürzeren Haftstrafen gegen Nawalny, lange Zeitstrecken wie die nun drohenden fast drei Jahre war er aber noch nie in Haft.