Nach Irans Angriff auf Israel: Droht jetzt ein großer Krieg?
Zum ersten Mal in der Geschichte Israels hat der Mullahstaat seinen Todfeind direkt angegriffen. Kann diese Eskalation die gesamte Region in einen Krieg hineinziehen?
Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Warum hat der Iran Israel in der Nacht auf Sonntag angegriffen?
Der Angriff, durchgeführt mit mehr als 300 Drohnen und Marschflugkörpern, ist seit einigen Tagen erwartet worden. Das Regime in Teheran wollte damit die Tötung eines hohen Kommandeurs der Iranischen Revolutionsgarde vergelten, der in Damaskus Anfang April durch einen israelischen Angriff getötet worden war. Der Iran hatte Vergeltung angekündigt – wobei unklar war, wo und wie das Mullah-Regime zuschlagen würde.
Israel war vorbereitet – und gewarnt. Wie und durch wen?
Die USA hatten schon vor Tagen im Iran auffällige militärische Bewegungen ausspioniert. Somit war klar, dass der Iran tatsächlich Geschosse abfeuern – und nicht nur seine Stellvertreter, wie etwa die Hisbollah-Milizen im Libanon oder die Houthis im Jemen, zu Vergeltungsschlägen auffordern würde. Israel selbst hatte natürlich schon vor dem eigenen Angriff auf das iranische Konsulatsgebäude in Damaskus damit kalkuliert, dass es Vergeltungsschläge geben würde. Die israelischen Soldaten erhielten zuletzt Urlaubssperre, die gesamte Luftabwehr wurde in Stellung gebracht. Alle Großveranstaltungen wurden abgesagt.
Der Angriff bedeutet eine nie dagewesene Eskalation. Was droht jetzt?
Seit der Gründung der Islamischen Republik Iran 1979 sind Israel und der Mullah-Staat Todfeinde. Der Kampf gegen Israel bzw. die Zerstörung des jüdischen Staates ist iranische Staatsdoktrin. Doch bisher gab es immer nur indirekte Angriffe des Iran gegenüber Israel, etwa beim Attentat gegen die israelische Botschaft in Buenos Aires in den 90er-Jahren. Doch nun kam es Samstagnacht zum ersten direkten Angriff auf Israel. Von mehreren Faktoren hängt jetzt ab, ob dieser Schritt die gesamte Region – also auch den Irak, Jordanien bis hin zu Saudi-Arabien – in einen riesigen Nahost-Krieg hineinzieht. Dabei würden auch die USA kaum neutral bleiben können.
Wovon hängt es also ab? Was spricht dafür, dass es zu keinem Krieg kommt?
Zum einen sind die Schäden des iranischen Angriffs gering bis minimal geblieben. Israels Luftabwehr hat perfekt funktioniert, zusammen mit den Verbündeten USA und Großbritannien wurde dafür gesorgt, dass viele Drohnen erst gar nicht bis zum israelischen Luftraum vordringen konnten, sie wurden schon davor abgeschossen. Israel könnte also bei seiner Schadensbegutachtung zum Schluss kommen: Die Angriffswelle ist vorbei, sie hätte von Seiten des Iran viel massiver ausfallen können – damit verzichtet Israel, wiederum Vergeltung für die Vergeltung zu üben.
Und der Iran?
Aus Teheran wurde verlautbart, dass mit dem Angriff auf Israel Vergeltung geübt wurde. So hat der Gottesstaat vor der eigenen Bevölkerung und vor seinen Verbündeten das Gesicht gewahrt. Vorerst deutet nichts auf weitere Angriffswellen hin: Auch der Iran hat kein Interesse daran, in einen direkten Krieg gegen Israel einzutreten – der natürlich auch die USA hineinziehen würde.
Und die USA?
US-Präsident Joe Biden drängt die Regierung Netanjahu massiv, von weiteren Vergeltungsschlägen abzusehen. Denn diese würden tatsächlich die Gefahr bergen, einen großen Krieg auszulösen. Aber: Unklar ist, welchen Einfluss Biden auf den israelischen Premier noch hat. Washington ringt bereits mit Mühe darum, Israel von einer weiteren Offensive in Gaza abzuhalten. Fazit: Alles hängt nun an der Reaktion Israels – und am Bemühen der USA, die israelische Regierung von weiteren Vergeltungsschlägen abzuhalten.