Politik/Ausland

Nahost: Kerry verkündet neue Friedensgespräche

Seine sechste Nahost-Reise seit Amtsantritt im Februar 2013 brachte den Durchbruch: Laut US-Außenminister John Kerry verständigten sich Israel und die Palästinenser grundsätzlich auf einen neuen Anlauf für Frieden. Die Gespräche zwischen dem palästinensischen Chefunterhändler Saeb Erekat und der israelischen Justizministerin Tzipi Livni, die für die Verhandlungen zuständig ist, sollen schon kommende Woche in Washington starten. Das sagte Kerry in der jordanischen Hauptstadt Amman. "Das Übereinkommen muss noch formell ausgearbeitet werden, und deshalb werde ich auf keinen Fall hier jetzt über Einzelheiten sprechen", fügte er vor seinem Heimflug nach Washington hinzu. Ein Sprecher von Abbas bestätigte die Übereinkunft. Von israelischer Seite gab es wegen des bereits begonnenen Sabbats zunächst keine Stellungnahme.

Kerrys Plan zielt auf eine Zweistaatenlösung ab. Ob die Grenzen von 1967 in dem Vorschlag erwähnt werden, war noch unklar. Ein Stopp des israelischen Siedlungsbaus in den besetzten Gebieten als Vorbedingung sei nicht geplant. Die palästinensische Führung hatte Kerrys Vorschläge für eine Neuauflage der Nahost-Gespräche bisher eigentlich abgelehnt. Mindestvoraussetzung war für sie neben dem Bezug auf die Grenzen von 1967 der sofortige Siedlungsstopp.

Druck auf Israel-Premier

Ein Siedlungsstopp ist für Israel Premier Benjamin Netanyahu undenkbar. Haupthindernis auf israelischer Seite ist ein Bezug auf die Grenzen von 1967 als Verhandlungsbasis. Netanyahu erfuhr in den vergangenen Tagen starken Druck aus seiner eigenen Regierung Verhandlungen mit Vorbedingungen auf keinen Fall zuzustimmen. Sein ultrarechter Regierungspartner Naftali Bennett – seines Zeichens Handelsminister und Siedlervertreter – drohte entschieden mit dem Ausstieg aus der Koalition. „Keine Sekunde länger“ werde seine Siedlerpartei „Das Jüdische Haus“ in einer Koalition bleiben, die Vorbedingungen zustimmt.

Aber nicht nur die israelische, auch die Regierung von PLO-Chef Mahmoud Abbas bröckelt. Eigentlich stehen längst Neuwahlen an, doch die konnten wegen des Streits zwischen den Palästinenserparteien Hamas und Fatah noch nicht abgehalten werden. Ein Ende des Machtkampfes wäre Voraussetzung für einen Frieden in Nahost.

Empörung über EU

Grund zum Unmut gibt es innerhalb der israelischen Regierung aber auch in Bezug auf die EU. Am Freitag wurden die neuen Regeln zur Vergabe von EU-Geldern veröffentlicht. Sie beinhalten eine Ohrfeige für Jerusalem. Sie sollen verhindern, dass Fördergelder auch israelischen Siedlungen in den seit 1967 besetzten Gebieten zugute kommen. In diesem Zusammenhang hat die israelische Regierung jetzt die Botschafter Deutschlands, Frankreichs und Großbritanniens gebeten, ihren Regierungen mitzuteilen, dass diese neuen Vorschriften „eine ernste Krise“ hervorrufen könnten.

Positive Reaktionen

UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon lobte die Vermittlung von US-Außenminister Kerry und appellierte an die Konfliktparteien, Führungsstärke, Mut und Verantwortung zu beweisen, um diese Anstrengungen in Richtung einer Zwei-Staaten-Lösung fortzuführen. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton unterstrich den Mut des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu und des palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas. Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle sprach von einer "enormem Bewegung" der beiden Parteien aufeinander zu.

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Die Bemühungen um Frieden im Nahen Osten dauern seit Jahrzehnten an - mit zahlreichen Erfolgen und Rückschlägen:

1978: Unter Vermittlung von US-Präsident Jimmy Carter unterzeichnen der ägyptische Präsident Anwar al-Sadat und der israelische Ministerpräsident Menachem Begin das Camp-David-Abkommen als Basis für den Frieden zwischen Ägypten und Israel. Ägypten erkennt darin den Staat Israel an, der im Gegenzug die 1967 annektierte Sinai-Halbinsel zurückgibt.

1988: US-Präsident Ronald Reagan willigt ein, diplomatische Beziehungen zu den Palästinensern aufzunehmen. Zuvor hatte der Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Yasser Arafat, das Existenzrecht Israels indirekt anerkannt.

1993: PLO-Chef Arafat und der israelische Ministerpräsident Yitzhak Rabin unterzeichnen als Gäste von US-Präsident Bill Clinton ein in Oslo ausgehandeltes Friedensabkommen. Es ist die erste Friedensvereinbarung überhaupt zwischen Israel und der PLO.

1994: Durch Clintons Vermittlung kommt ein Friedensvertrag zwischen Israel und Jordanien zustande, mit dem die Nachbarländer nach Jahrzehnten der Feindschaft ein friedliches Miteinander suchen. Israel und die Palästinenser vereinbaren eine Autonomie-Regelung für den Gazastreifen und Jericho im Westjordanland.

1995: Die Autonomieregelung im Westjordanland wird schrittweise ausgedehnt.

1998: In Wye Plantation in den USA wird der Rückzug Israels aus 13 Prozent des Westjordanlands vereinbart.

2000: Neuerliche Nahost-Gespräche unter Clintons Vermittlung in Camp David zwischen PLO-Chef Arafat und Israels neuem Regierungschef Ehud Barak scheitern. Die Palästinenser erheben sich kurz darauf in der sogenannten zweiten Intifada.

2002: US-Präsident George W. Bush spricht sich für die Schaffung eines Palästinenserstaates aus. Allerdings erkennt er PLO-Chef Arafat nicht als Gesprächspartner an.

2003: Bush stellt die sogenannte Roadmap vor. Der dreistufige Nahost-Friedensplan, dem beide Konfliktparteien zustimmen, sieht die Bestätigung des Existenzrechtes Israels und die Gründung eines unabhängigen Palästinenserstaates vor. Die Umsetzung gerät bald ins Stocken.

2005: Israel zieht sich aus dem Gazastreifen zurück, die dortigen jüdischen Siedlungen werden geräumt.

2007: In Annapolis nahe Washington findet auf Bushs Einladung eine Nahost-Konferenz statt. Israels Ministerpräsident Ehud Olmert und Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas vereinbaren nach jahrelangem Stillstand Friedensgespräche. Der erhoffte Neubeginn bleibt aber aus.

2008: Im Dezember startet die israelische Armee eine dreiwöchige Offensive gegen die radikalislamische Hamas im Gazastreifen. Die Friedensgespräche mit den Palästinensern werden auf Eis gelegt.

2010: US-Präsident Barack Obama bringt die Führungen beider Seiten am 2. September in Washington an einen Tisch. Der Dialog zwischen Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu reißt ab, nachdem Israel am 26. September die Besiedlung der besetzten Gebiete wieder aufgenommen hat.

2011: Obama spricht sich für einen Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967 aus. Netanyahu schließt eine Rückkehr zu den Grenzen von 1967 aus.

2012: In einer historischen Entscheidung erkennen die Vereinten Nationen Palästina als Beobachterstaat an - gegen den Widerstand der USA. International wächst der Druck auf beide Seiten, die Gespräche nun schnell wieder aufzunehmen. Die Ankündigung Israels, Tausende neue Wohnungen im besetzten Westjordanland zu bauen, löst Kritik aus.

2013: Die Arabische Liga erklärt im April einen Austausch von Gebieten im Zuge eines Friedensplans für vorstellbar. US-Außenminister John Kerry verkündet am 19. Juli die Grundsatzeinigung für eine Wiederaufnahme direkter Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern.