Politik/Ausland

Angriff auf Israel erwartet: Die Angst vor einem neuen Nahost-Krieg wächst

Angesichts drohender Vergeltungsschläge des Iran gegen Israel versuchen die USA einen großen Krieg im Nahen Osten doch noch abzuwenden. "Wir führen fast rund um die Uhr intensive diplomatische Gespräche mit einer ganz einfachen Botschaft: Alle Parteien müssen von einer Eskalation absehen", sagte US-Außenminister Antony Blinken am Montag. Der genaue Zeitpunkt des erwarteten Angriffs auf Israel ist weiter unklar, nach Medienberichten könnte er aber unmittelbar bevorstehen.

US-Präsident Joe Biden zog sich mit seinem Sicherheitsteam ins Lagezentrum des Weißen Hauses zurück. Er und Vizepräsidentin Kamala Harris seien über die Bedrohungslage, über die Bemühungen zur Deeskalation und Vorbereitungen zur Unterstützung Israels im Angriffsfall informiert worden, ließ Biden im Anschluss auf der Plattform X wissen. Das Nationale Sicherheitsteam habe Biden und Harris auch mitgeteilt, dass der Zeitpunkt eines möglichen Angriffs des Iran und der Hisbollah auf Israel ungewiss sei, teilt das US-Präsidialamt mit. Es seien zudem Maßnahmen erörtert worden, um US-Streitkräfte in der Region zu verteidigen "und auf jeden Angriff auf unser Personal auf eine Weise und an einem Ort unserer Wahl zu reagieren".

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Bei einem Angriff auf einen Militärstützpunkt im Irak wurden nach ersten Erkenntnissen des Pentagons mehrere US-Soldaten verletzt, wie ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums sagte. Demnach war der von US-Truppen und Partnern genutzte Luftwaffenstützpunkt Al-Asad mutmaßlich mit einer Rakete angegriffen worden.

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Gefährliche Eskalation

Seit Beginn des Gaza-Kriegs zwischen Israel und der islamistischen Hamas greifen mit dem Iran verbündete Milizen immer wieder US-Militärstützpunkte im Irak und in Syrien an. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin und sein israelischer Kollege Joav Galant waren sich in einem gemeinsamen Gespräch einig, dass der Angriff eine "gefährliche Eskalation darstellt und die destabilisierende Rolle des Iran in der Region verdeutlicht", wie ein Sprecher des Pentagons im Anschluss mitteilte.

Der Iran und seine Verbündeten in der Region haben angekündigt, Israel für die Tötung des Hamas-Auslandschefs Ismail Haniyeh in Teheran und des Hisbollah-Kommandeurs Fuad Shukr in Beirut vergangene Woche hart zu bestrafen. Die USA verlegen daher nach Angaben des Pentagons zusätzliche Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge in die Region. Der Kommandeur der US-Truppen im Nahen Osten, General Michael Erik Kurilla, traf sich in Israel mit Generalstabschef Herzi Halevi.

Russland belieferte Iran

Bei der Unterredung ging es dem israelischen Militär zufolge auch um "gemeinsame Vorbereitungen", um den Bedrohungen in der Region zu begegnen. Der israelische Verteidigungsminister Galant sagte laut örtlichen Medien bei einem Besuch der unterirdischen Kommandozentrale der Luftwaffe in Tel Aviv, das Militär müsse sich auf alle Möglichkeiten vorbereiten, auch auf einen "schnellen Übergang zur Offensive".

Russland hat einem Medienbericht zufolge mit der Lieferung von modernen Radaranlagen und Ausrüstung zur Luftraumverteidigung an den Iran begonnen. Der Iran habe zuvor in Vorbereitung eines möglichen Krieges mit Israel moderne Luftabwehrsysteme von Russland angefordert, berichtete die "New York Times" unter Berufung auf zwei iranische Beamte, die mit der Kriegsplanung vertraut sein sollen. Die Lieferung sei angelaufen, hieß es nach Gesprächen des Sekretärs des russischen Nationalen Sicherheitsrates, Sergej Schoigu, mit ranghohen Vertretern des Irans in Teheran.

Moskau pflegt enge Kontakte zu Teheran, hat aber auch Kontakte zu Israel. Die russische Regierung rief alle Seiten zur Zurückhaltung auf.

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Angesichts des drohenden Angriffs auf Israel sollen Maschinen mit Flugziel Jordanien für eine mögliche Routenänderung vorbereitet werden. Alle ankommenden Flieger müssten vorab mit Treibstoff für 45 zusätzliche Flugminuten betankt werden, heißt es in einem Sicherheitshinweis der zivilen Luftfahrtbehörde des Königreichs. Im Fall eines Angriffs hätten sie damit ausreichend Treibstoff, um kurzfristig die Route zu ändern und in einem benachbarten Staat zu landen. Der Hinweis der jordanischen Behörde gilt bis heute Abend um Mitternacht (MESZ).

Beratung über Haniyeh-Tötung

Der Iran hatte Israel im April erstmals direkt angegriffen. Während der Attacke mit mehr als 300 Drohnen, Raketen und Marschflugkörpern schloss Jordanien als erstes Land der Region seinen Luftraum.

Der Iran will derweil mit anderen islamischen Ländern über die Tötung des Hamas-Auslandschefs Haniyeh beraten. Dafür ist am Mittwoch auf Ebene der Außenminister eine Dringlichkeitssitzung der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) in Saudi-Arabien geplant, wo die OIC ihren Sitz hat. Bei dem Treffen in Dschidda solle es um die "Verbrechen der israelischen Besatzung" gehen, darunter die "Ermordung" Haniyehs, teilte die OIC mit, der 57 islamische Länder angehören.

Der Iran und die Hamas machen Israel für die Tötung Haniyehs in der vergangenen Woche verantwortlich, Israel hat sich bisher nicht dazu geäußert.

Angesichts der wachsenden Sorgen vor einer Eskalation beriet sich US-Präsident Biden in einem Telefonat mit Jordaniens König Abdullah II. In dem Gespräch hätten die beiden ihre Bemühungen um eine Deeskalation der Spannungen erörtert, unter anderem durch die Vermittlung eines Abkommens über eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen und die Freilassung der Geiseln aus der Gewalt der Hamas, wie das Weiße Haus mitteilte.

Verhandlungen drehen sich im Kreis

Die indirekten Verhandlungen über ein solches Abkommen zwischen Israel und der Hamas drehen sich seit Monaten im Kreis. Da beide Seiten nicht direkt miteinander verhandeln, vermitteln die USA, Ägypten und Katar. Eine weitere Gesprächsrunde einer israelischen Delegation mit ägyptischen Unterhändlern endete am Wochenende in Kairo ohne Ergebnisse, wie israelische Medien berichteten.

Die Verhandlungen würden erst wieder aufgenommen, wenn der Iran die Ermordung Haniyehs vergolten und die Hamas einen Nachfolger für den getöteten Auslandschef ausgewählt habe, sagten zwei mit der Angelegenheit vertraute Beamte der "Times of Israel". Haniyeh war einer der Hauptverhandler der Hamas bei den indirekten Gesprächen über eine Waffenruhe und Geiselfreilassung.