Milliarden für Teheran: Atomabkommen in Wien in Sicht
US-Fahnen brannten, zahlreiche Menschen zogen durch Teheran, skandierten „Tod für Amerika“. „Wir setzen unsere Hoffnungen in den Osten, Westen, Norden und Süden unseres Landes und haben niemals Hoffnung in Wien und New York gesetzt“, rief Präsident Ebrahim Raisi der Menge zu. „Die Zukunft unseres Landes ist rosig!“, bekräftigte er am Freitag. Eine Rede, wie sie zum Jahrestag der islamischen Revolution im Iran gang und gäbe ist.
Lösung in Sicht
Doch zur selben Zeit verhandelten seine Diplomaten in Wien über eine Wiederaufnahme des Atomabkommens (JCPOA) – und dort waren andere Töne zu hören: Die US-Regierung sieht eine Lösung bereits in Sicht, laut einem russischen Unterhändler liegt bereits der Entwurf für die Einigung vor, selbst der Iran ist davon überzeugt, dass man sich eher einig werde, als dass die Verhandlungen scheitern. Ein Zeichen dafür sind Gespräche über die Freilassung vier amerikanischer Bürger aus iranischer Gefangenschaft – die allerdings indirekt geführt werden. Die Unterhändler der USA und des Iran weigern sich, direkt miteinander zu sprechen.
Tiefes Misstrauen
Zu tief ist das Misstrauen, zu tief sind die Gräben, nachdem die USA 2018 unter Ex-Präsident Donald Trump aus dem Atomabkommen ausgetreten waren. Alte und neue Sanktionen traten in Kraft. Ebenso drohte Trump anderen Staaten, die weiter Geschäfte mit dem Iran machen würden, mit Strafen.
Entscheidende Runde
Unter Präsident Joe Biden soll das Atomabkommen, das vor mehr als sechs Jahren nach jahrelangem Ringen zwischen der Islamischen Republik, USA, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und EU zustande gekommen war, wiederbelebt werden. Und das könnte diese Woche passieren. Denn sowohl die USA als auch Teheran betonten: Diese achte Verhandlungsrunde sei die entscheidende.
Letzte Hindernisse
Mehr als 100 Milliarden
Seit Ende November versuchen die Unterhändler, auf einen grünen Zweig zu kommen. Wesentlicher Inhalt: Der Iran verpflichtet sich, sein Atomprogramm stark einzuschränken, sich von internationalen Inspektoren kontrollieren zu lassen – im Gegenzug werden etliche Wirtschaftssanktionen gegen Teheran aufgehoben. Die erste und für Teheran entscheidende Konsequenz: Die auf ausländischen Konten eingefrorenen Ölgelder des Iran würden freigegeben. Experten schätzen die Summen auf mehr als 100 Milliarden Dollar.
Problematisch dürfte noch die geforderte Garantie des Iran sein, dass auch ein künftiger US-Präsident das Abkommen nicht einfach aufkündigen darf. Gleichzeitig hat die Islamische Republik große Fortschritte im Bereich der Urananreicherung gemacht. Es stellt sich die Frage, was mit diesen Fortschritten passieren soll. Eine mögliche Lösung wäre, dass der Iran die Anreicherung auf dem heutigen Grad einfriert und dafür mit der Aufhebung einiger US-Sanktionen belohnt wird.
Die wäre – bei allen Brandreden gegen die USA – ein Segen für den Iran: Ebrahim Raisi muss sein Versprechen von Wirtschaftswachstum einlösen. Die jährliche Inflation liegt seit seiner Wahl im Juni vergangenen Jahres bei 44 Prozent. Der Lebensstandard der Iraner hat sich in den vergangenen Jahren massiv verschlechtert, immer wieder kommt es zu Protesten. Schaffen die Unterhändler tatsächlich eine Einigung, würde dies jedoch noch lange keinen Frieden in der Region bedeuten. Erst am Mittwoch hatte die iranische Regierung eine neue Rakete präsentiert, die sowohl die Golfstaaten als auch Israel treffen könnte. „Wir werden noch mehr und bessere Raketen bauen“, tönte Generalstabschef Mohammad Bagheri.
Israel warnt
Vor allem für Israel, das sich auf internationaler Bühne gegen ein Atomabkommen stark macht, eine unverhohlene Drohung. „Jeder, der glaubt, dass dieses Abkommen die Stabilität erhöhen wird, irrt sich“, sagte der israelische Regierungschef Naftiali Bennett vergangene Woche. „Es wird die Anreicherung vorübergehend verzögern, aber wir alle in der Region werden einen hohen, unverhältnismäßigen Preis dafür zahlen.“
Allerdings hätte ein Scheitern ungleich fatalere Folgen: Saudi-Arabien hatte bereits angekündigt, dass es – sollte der Iran über Atomwaffen verfügen – selbst welche anschaffen würde. Die Furcht vor einem „nuklearen Dominoeffekt“ in der ohnehin instabilen Region würde im Falle eines Scheiterns berechtigterweise steigen.