Politik/Ausland

Merkel: USA kein verlässlicher Partner mehr

Angela Merkel hat gerade drei Tage Donald Trump hinter sich. Zuerst in Brüssel, wo der US-Präsident den NATO-Ländern am Donnerstag eine Standpauke wegen zu geringer Beiträge hielt. Und dann auf Sizilien, wo er sich einer Einigung in Sachen Klimaschutz konsequent verweigerte. Es waren drei Tage, die offenbar Spuren hinterlassen haben. Bei einer Bierzeltrede in München machte sich die deutsche Kanzlerin nun Luft. "Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei. Das habe ich in den letzten Tagen erlebt", sagte Merkel am Sonntag vor rund 2.500 Menschen.

"Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in die eigene Hand nehmen". Merkel bezog sich mit ihren Worten auf die neue US-Regierung von Donald Trump, sie bezog aber auch den bevorstehenden Brexit Großbritanniens mit ein. Es müsse natürlich bei der Freundschaft zu den USA und Großbritannien bleiben. "Aber wir müssen wissen, wir müssen selber für unser Schicksal kämpfen", sagte Merkel bei dem Bierzelttermin mit CSU-Chef Horst Seehofer.

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Ratloses Europa

Man merkt: Nach seiner ersten Auslandsreise hinterlässt Donald Trump die Gruppe der sieben großen Industrienationen (G7) gespalten wie selten zuvor - nicht nur mit seinem Konfrontationskurs in der Klimapolitik stürzte er die in eine schwere Krise gestürzt. Massive Differenzen gab es auch beim Umgang mit Flüchtlingen. Gesichtswahrende Formulierungen fanden die G7 in letzter Minute lediglich zum Thema Handel.

Auch Italiens Regierungschef Paolo Gentiloni - aktueller G7-Präsident - zog ein ernüchterndes Fazit der zwei Tage auf Sizilien: Die Differenzen mit den USA seien "in unseren Diskussionen sehr klar geworden", sagte Gentiloni. Aber: Trump sei die Wahl des amerikanischen Volkes und mit dieser werde man nun umgehen. "Amerika ist und bleibt unser wichtigster Verbündeter."

Bilanz zur Auslandsreise: Eine Woche mit The Donald

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Trump selbst hingegen zog noch am Samstag eine positive Bilanz zu seiner ersten Auslandsreise als US-Präsident. Hinter ihm liege eine "wirklich historische Woche" mit wichtigen Verbündeten der Vereinigten Staaten, sagte Trump bei einer Rede auf dem US-Militärstützpunkt Sigonella, kurz nachdem er den G-7-Gipfel in Taormina verlassen hatte. Dort habe er "große Fortschritte" gemacht, erklärte der Präsident.

Trump mag es so sehen, immerhin setzte er seine Standpunkte deutlich durch. Fortschritt im Sinne von konkreten Ergebnissen gab es jedoch nicht. Gerade einmal sechs Seiten lang ist die Gipfelerklärung von Taormina. Bei den vergangenen beiden G-7-Gipfel zählte sie jeweils rund 30 Seiten.

Will Trump aus Klimaabkommen raus?

Konkret wollte Trump bei den Themen Flüchtlingskrise und Klimaschutz partout nicht mit den G7-Partnern mitgehen. Dass ein G-7-Gipfel in der Abschlusserklärung dann erstmals die Isolation der USA in einem wichtigen Punkt wie Klimaschutz benannte, ist eine Premiere - und ein klares Warnsignal an den US-Präsidenten, auch wenn dieser dies innenpolitisch sogar als Erfolg für seine Standhaftigkeit verkaufen mag. Deutsche Medien sprachen bereits von "G-6" und den USA.

In Sachen Klimaschutz erklärte Trump, er brauche mehr Zeit, um das Klimaabkommen von Paris zu bewerten und kündigte eine Entscheidung über einen Verbleib für die kommende Woche an. Einem Medienbericht zufolge soll er Vertrauten aber bereits einen Ausstieg aus dem Abkommen angedeutet haben.

Mit den Vereinbarungen soll die Erderwärmung auf maximal zwei Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit begrenzt und der Ausstoß von Treibhausgasen verringert werden soll. Merkel beklagte nach den Beratungen eine "sehr unzufriedenstellende" Diskussion mit der US-Regierung.

Der französische Präsident Emmanuel Macron zeigte sich am Samstag hingegen noch überzeugt, dass Trump die Brisanz eines Ausstieges verstanden habe. Immerhin habe sich die US-Regierung vor wenigen Wochen noch klar gegen das Abkommen ausgesprochen. Er sei sicher, dass Trump pragmatisch sei, sagte Macron nach dem Abschluss des G-7-Treffens.

Hoffen auf Einlenken Trumps

In deutschen Regierungskreisen war bereits vor dem Gipfel betont worden, dass man in Taormina nicht mit einem Einlenken Trumps rechne. Dieses müsse aber spätestens bis zum G-20-Gipfel Anfang Juli in Hamburg erfolgen. "Hoffentlich trifft er die richtige Entscheidung für die Menschen in seinem Land", sagte Umweltministerin Hendricks der Welt am Sonntag. Der Rest der Welt werde jedenfalls "klar auf Zukunftskurs bleiben". Ähnlich äußerte sich Agrarminister Christian Schmidt: "Es erfüllt mich mit großer Sorge, wenn die Weltklimapolitik durch innenpolitische Fehlinterpretationen in den USA gefährdet wird." Auch führende Ökonomen fordern von den G-20-Staaten mehr Engagement im Kampf gegen den Klimawandel.

Das Internetmagazin Axios berichtete jedoch am Samstag, Trump habe unter anderem den Chef der Umweltbehörde EPA, Scott Pruitt, über seine Absicht informiert. Das Magazin berief sich auf drei nicht genannte Quellen mit direkter Kenntnis der Angelegenheit. Innerhalb der Trump-Familie gelten Tochter Ivanka und deren Mann Jared Kushner als Befürworter des Klimaschutzabkommens.

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Einig bei Handel, Terror, Russland

Beim Thema Welthandel wurde in Taormina zwar eine gemeinsame Haltung aller G-7-Länder gefunden, aber auch dies gelang erst nach deutlichen Kontroversen mit der US-Regierung. Im Kommunique wird bekräftigt, die Märkte offen zu halten und Protektionismus zu bekämpfen. Die Staaten stellten sich jedoch gegen unfaire Handelspraktiken.

Trump hatte etwa Mexiko und China mit Strafzöllen gedroht und Deutschland und Japan wegen der Handelsüberschüsse kritisiert. Ein europäischer Diplomat sagte über die Verhandlungen mit den Amerikanern: "Am Ende haben wir die überzeugt, den Kampf gegen den Protektionismus in die Abschlusserklärung aufzunehmen." Dies sei ein Schritt vorwärts. Als wichtig wurde angesehen, dass Trump sich zur Welthandelsorganisation bekannte.

Weitgehend einig waren sich die G-7, dass man sich gegen die chinesische Stahl-Überproduktion wehren müsse. "Insgesamt war die Einschätzung, dass sich die Weltwirtschaft einigermaßen vernünftig entwickelt", sagte Merkel. Die Kanzlerin hatte in einem bilateralen Gespräch mit Trump Kritik am deutschen Exportüberschuss zurückgewiesen. Nun soll eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema eingesetzt werden.

Dazu appellierten die G-7 an Internetanbieter und Betreiber sozialer Netze, konsequenter gegen terroristische Inhalte vorzugehen, ohne die Meinungsfreiheit einzuschränken. Zudem soll der Informationsaustausch zwischen den G-7-Staaten verstärkt und die Finanzierung von extremistischen Organisationen austrocknet werden.

"Mobilität der Menschen"

Entgegen ursprünglicher Befürchtungen einigten sich die G-7-Länder auch auf eine zumindest kurze Passage zum Thema Flüchtlinge. Unter der vagen Überschrift "Mobilität der Menschen" werden die Menschenrechte aller Flüchtlinge und Migranten bekräftigt, aber auch das Recht von Staaten, ihre Grenzen zu kontrollieren. Hilfsorganisationen sprachen von einem "Desaster". Die G-7 hätten keinerlei konkrete Hilfszusagen gemacht, um Fluchtursachen zu bekämpfen, kritisierte die Organisation One. Am Samstagnachmittag protestierten rund 2000 Globalisierungskritiker nahe dem Gipfelort gegen die Politik der G-7.

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