Politik/Ausland

In den Fußstapfen von "Papa Silvio"

Auch wenn sich Ex-Premier Silvio Berlusconi noch mit allen Mitteln gegen eine Verbannung aus der Politik wehrt (siehe unten), bereitet er schon seine Nachfolgerin vor. Seine älteste Tochter Marina könnte – wie man es sonst eher aus Monarchien oder Diktaturen kennt – in die Fußstapfen ihres Vaters treten und Parteichefin werden. In den „schmerzhaftesten Tagen“ seines Lebens (Silvio Berlusconi) stand die 47-jährige Unternehmerin ihrem Vater treu zur Seite. Als der 76-jährige Ex-Premier vergangene Woche wegen Steuerbetrugs verurteilt wurde, eilte sie sofort aus Mailand nach Rom. Erstmals nahm sie dabei im Palazzo Grazioli auch an einem Krisengipfel von Berlusconis Mitte-rechts-Partei (Pdl) teil. Sie saß neben Vizepremier Alfano und den Pdl-Fraktionsvorsitzenden Brunetta und Schifani am Tisch der „Big Player“. Viele sehen das als Signal für ihre bevorstehende Amtseinführung.

„Mehr mutige Frauen!“

Unter den Frauen in der Mitte-rechts-Partei wird dieser Plan positiv aufgenommen. Die 47-jährige Unternehmerin wäre die erste Chefin an der Spitze einer Partei in Italien. Parlamentariern Daniela Santanché, die wegen ihres aggressiven Diskussionsstils in Talk-Shows auch „Pythonschlange“ genannt wird und Berlusconi stets vehement verteidigt, meinte: „Ich wäre froh, wenn diesmal noch ‚Presidente Berlusconi‘ ins Rennen ginge, aber mit Marina bin ich auch sehr zufrieden.“ Sie schätze ihren Unternehmergeist, außerdem brauche dieses Land mehr Frauen, die den Mut haben, zu sagen, was sie denken.

Marina Berlusconi ist einflussreiche Chefin der Familienholding Fininvest. Die Holding kontrolliert nicht nur die drei wichtigsten Privatsender, sondern auch Baufirmen, Kaufhausketten, Versicherungen, Werbeagenturen, Kinos, den Fußballclub AC Milan und Italiens größten Buch- und Zeitschriftenverlag Mondadori. Als Präsidentin der Unternehmensgruppe, die jährlich 4,1 Milliarden Euro erwirtschaftet, schaffte sie es laut Forbes als einzige Italienerin unter die 50 einflussreichsten Frauen der Welt. Mitarbeiter beschreiben Marina, die hinter vorgehaltener Hand „la zarina“, die „Zarin“, genannt wird, als sehr autoritär. Dass sie ihre Stellung ihrem Namen verdankt, leugnet Studienabbrecherin Marina nicht: „Statt alle Stufen hochzusteigen, konnte ich den Aufzug nehmen.“ Sie gibt selten Interviews. Dafür ist sie fast jede Woche mit Ehemann Maurizio Vanadia, einem ehemaligen Tänzer an der Mailänder Scala, und den beiden Kindern im familieneigenen Klatschblatt Chi zu sehen. Dabei wird ein kitschiges Familienbild inszeniert – auf ihren Yachten, an Stränden oder in ihren Villen.

„Eiserne Powerfrau“

Die „eiserne Powerfrau“ Marina (italienische Huffington Post) hat ihren Vater stets vehement verteidigt. Sie verhält sich von allen fünf Kindern am loyalsten gegenüber „Papa Silvio“ und klagt: „Gegen meinen Vater läuft eine unerträgliche Hetzjagd.“ In letzter Zeit seien die Attacken immer heftiger geworden. „Man versucht ihn mit Verleumdungen als Mensch und mit rechtswidrigen Gerichtsurteilen als Unternehmer zu zerstören“, sagte sie angesichts der Verurteilung wegen Steuerbetrugs.

Optisch entspricht Marina ganz dem Schönheitsideal, das auf Berlusconis Mediaset-Kanälen propagiert wird. Figurbetonte Kleidung, blond gefärbte Haare, starke Schminke und protziger Schmuck gehören zur Grundausstattung. Dazu kommen noch eine durch unzählige Schönheitsoperation ausgelöschte Mimik und die aufgespritzten Lippen.

Silvio Berlusconis Fraktionschefs im Parlament, Renato Schifani und Renato Brunetta, pilgerten am Montag zu Staatspräsident Giorgio Napolitano. Um Begnadigung baten sie nicht, dafür gibt es angesichts fünf laufender Prozesse gegen den Ex-Premier gar keine Chance. Aber sie erörterten mit dem Staatsoberhaupt Wege, wie dem rechtskräftig verurteilten Berlusconi „politische Beweglichkeit“ gesichert werden könne. Ihm droht nicht nur Hausarrest ab Herbst, sondern auch der Verlust seines Senatssitzes.

Premier Enrico Letta begrüßte Berlusconis beschwichtigenden Worte, wonach seine PdL in der Koalition verbleiben werde, weil Wirtschaftsgesetze sowie eine Justizreform verabschiedet werden müssten. Letta forderte aber den Beweis bei den anstehenden Gesetzesinitiativen wie die Neugestaltung der Immobiliensteuer oder die Erhöhung der Mehrwertsteuer.