Machtkampf mit Macron bringt Frankreich Chaos
Von Danny Leder
In einem Punkt sind sich Unterstützter der Gewerkschaften und Fürsprecher der französischen Regierung einig: Der am Ostermontag am Abend begonnene und theoretisch für drei (!) Monate anberaumte Bahnstreik entscheidet über die Zukunft von Präsident Emmanuel Macron – oder, wie es Christophe Barbier, Chefredakteur des Magazins L’Express , formulierte: „Der Reform-Zug von Macron könnte in der Station Bahnstreik zum Erliegen kommen.“
Tatsächlich unterzieht Macron seit seinem Amtsantritt Frankreich einem rasenden wirtschaftspolitischen Umbau. Die wichtigsten seiner Maßnahmen, die Reformen des Arbeitsmarkts und der Steuern, fördern Unternehmer-Initiative und begünstigen Kapitaleigner in einer Weise, die bisher auch rein bürgerliche Staatsführungen nicht gewagt hatten.
Wendepunkt?
Alle Gegner von Macron, von der Linken bis zur Rechtsaußen-Opposition, die seinem ungestümen Vormarsch bisher ziemlich hilflos mitansehen mussten, hoffen nun, dass der Wendepunkt erreicht ist. Die Staatsbahn SNCF ist eine der letzten Bastionen der klassischen Gewerkschaftsverankerung. Macrons Regierung will die SNCF an die Erfordernisse des bevorstehenden Wettbewerbs mit privaten Anbietern im Bahnbetrieb anpassen. Die SNCF würde zwar in Staatsbesitz bleiben, aber in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden und noch verbliebene, kleinere Bahnlinien mit wenig Passagieren schließen.
Der Sonderstatus der Eisenbahner (früherer Pensionsantritt und Unkündbarkeit) soll fallen. Obwohl das erst für künftige Angestellte gelten soll, scheint die Streikbereitschaft extrem hoch: Die Hälfte der Bahnbediensteten und zwei Drittel der Lokführer haben sich als Streikende deklariert. Dabei verfügen die zersplitterten Gewerkschaftsbünde kaum über Streikkassen, sodass jeder Streiktag, weil unbezahlt, den Teilnehmern teuer zu stehen kommt.
Gehaltsverluste
Um diese Gehaltsverluste zu umschiffen, wollen die Gewerkschaften jeweils von fünf Tagen nur an zwei streiken, aber das bis Ende Juni. Die Bahndirektion droht mit Gehaltsentzug auch für die nicht bestreikten Tage. Und sie versucht, Bedienstete aus den Leitungsetagen mit Lokführungs-Kenntnissen als Streikbrecher einzusetzen. Den Bahnkunden werden kostenlose Ersatz-Transporte über Busfilialen und Mitfahrerzentralen angeboten.
Aber all dies dürfte den voraussichtlichen Ausfall von rund 80 Prozent der Pendlerzüge kaum ausgleichen. Das Chaos rund um die städtischen Ballungszentren scheint unabwendbar.
Obendrein wird es heute, Dienstag, Streiks (zum vierten Mal seit fünf Wochen) bei der Air France geben. Die Müllabfuhr der großen Städte tritt ebenfalls in den Ausstand. Bedienstete der Energie-Industrie wollen die Stromversorgung – auch drei Monate lang – herunterfahren. Schließlich haben Studenten ein Dutzend Unis aus Protest gegen neue Auslese-Verfahren besetzt.
So wie ein Teil der Eisenbahner-Gewerkschaften, wollen Müllabfuhr und Energieversorger ihren Status als öffentlich Bedienstete verteidigen und sogar auf die Arbeitnehmer der privaten Anbieter ausdehnen. Endziel: die Wiederherstellung des staatlichen Monopols in diesen Sektoren. Es ist also ein frontaler Zusammenstoß zwischen Befürwortern einer weiteren Öffnung der Märkte im Rahmen der EU und jenen, die dahinter einen sozialen und gesellschaftlichen Dammbruch befürchten.