Libyen: Ein skrupelloser General mit Zug zur Macht
Von Stefan Schocher
Wer sich Einfluss in Libyen nach dem Sturz Gaddafis sichern will, tut das meist folgendermaßen: Man packe einen Haufen Bewaffnete auf Jeeps, fahre zu einem neuralgischen Punkt (ein Flughafen, ein Ölfeld, ein Öl-Hafen, ein Parlament) und mache Radau – dann verhandle man über Konditionen oder kämpfe. Und diesmal ist es genauso.
Am 15. April sollen in der Stadt Ghadames an der Grenze zu Algerien unter UN-Vermittlung Gespräche über die Zukunft des Landes stattfinden. Das Ziel: Ein Ausweg aus der jahrelangen Krise, ein Ende des Bürgerkrieges zwischen zahllosen Milizen, vor allem aber zwischen der international anerkannten Regierung mit Sitz in Tripolis und der Gegenregierung unter de-facto-Führung von General Khalifa Haftar. Und vor diesem Treffen schickt Haftar nun die Infanterie los. Er hat eine Offensive angekündigt und seinen Truppen Befehl erteilt, auf Tripolis vorzurücken.
Haftar kontrolliert bereits große Teile des Landes, vor allem den Osten während der Einfluss der international anerkannten Regierung kaum über Tripolis hinausreicht. In den vergangenen Monaten waren Haftars Truppen vor allem im Westen und Süden des Landes stetig vorgerückt.
Das Ziel der jetzt angeordneten Offensive, so Haftar: Den Westen des Landes von verbliebenen „Terrorgruppen zu säubern“. Wen der General damit meint, ist klar. Er betrachtet die Regierung in Tripolis als islamistisch dominiert und unterwandert.
Der international anerkannte Premier Fayez al-Serraj kündigte sofort eine Generalmobilmachung an. Denn seiner Drohung ließ Haftar auch gleich Taten folgen: In der Nacht auf Donnerstag rückten Verbände Haftars in mehrere Städte südlich und Westlich von Tripolis vor. Massive Haftar-treue Verbände rollen gegen Westen. Auf Widerstand stießen sie zunächst nicht. Die Losung der Einheiten war aber klar - nächstes Ziel: Tripolis.
Beobachter glauben aber nicht, dass der Militär, tatsächlich bis zum Äußersten geht. Viel eher, so ein Beobachter in Tripolis, versuche Haftar wohl schlicht, vor der Konferenz am 15. April seine Position zu stärken.
Bei der Konferenz Mitte des Monats sollte es an sich um eine Vertiefung des Dialogs gehen. Erst im Februar hatten sich beide Seiten auf die Abhaltung von Wahlen geeinigt. UN-Generalsekretär Antonio Guterres zeigte sich am Donnerstag jedenfalls sehr Besorgt über die angekündigte Offensive. Eine militärische Lösung könne es nicht geben.
Dass der General aber auch politischer Stratege ist, hat er bereits bewiesen. Im Osten des Landes konnte er mit Hilfe der Vereinigten Arabischen Emirate, Ägypten und auch Russland quasi ein Militärregime aufbauen.
Ein Taktiker war er immer. Er beteiligte sich am Putsch Gaddafis 1969, machte Karriere in dessen Armee, kommandierte die Intervention im Tschad. Die scheiterte, er wurde gefangen genommen. 1987 floh Haftar schließlich – mit Hilfe der CIA, für die er in Folge arbeitete. Haftar wurde US-Staatsbürger.
2011 ging er schließlich nach Libyen zurück, um sich am Aufstand gegen Gaddafi zu beteiligen und befehligte zunächst als Nummer 3 in der militärischen Hierarchie der Aufständischen die Bodentruppen. Nach dem Sturz sollte er schließlich die libysche Armee neu Ordnen. Er aber ließ das Parlament stürmen – und löste damit den zweiten Bürgerkrieg aus. Die Machtkämpfe mit eingangs beschriebenen Methoden begannen.
Heute ist Haftar formell Militärchef der Gegenregierung in Tobruk. Faktisch aber ist er die Gegenregierung.