Politik/Ausland

Obama: "Russland steht alleine da"

Die Krim-Krise: Sie stand auch im Zentrum des Treffens US-Präsident Barack Obamas mit Ratspräsident Herman Van Rompuy und Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso im Rahmen des EU-USA-Gipfels in Brüssel: "Russland steht alleine da und Russland spürt die Auswirkungen seines Verhaltens", sagte Obama. EU, NATO und G7 stünden geschlossen da, "und wenn die russische Führung gedacht haben sollte, dass man durch das Vorgehen in der Ukraine einen Keil zwischen Europa und Amerika treiben könnte, hat sie sich verspekuliert".

Obama rief Präsident Putin zur Deeskalation auf: "Es gibt einen Weg für eine diplomatische Lösung." Sollte Russland jedoch "weiter vorrücken und tiefer in die Ukraine eindringen", würden die Maßnahmen des Westens vertieft. "Wir sind bereit, die Sanktionen zu intensivieren", bekräftigte Van Rompuy.

Gas aus Amerika

Thematisiert wurde auch Europas Abhängigkeit von Russland bei der Energie: Die EU-Staaten sollten ihre Energiepolitik überdenken, "um zusätzliche Wege zu finden, wie sie ihre Energieunabhängigkeit ausbauen und beschleunigen können", sagte Obama. Gemeint ist die Förderung von Schiefergas: In den USA ist das Fracking weit verbreitet, in Europa umstritten. Obama: "Jede mögliche Energiequelle hat Schwierigkeiten oder Nachteile. Es gibt keine perfekte, ideale und billige Energiequelle."

Europa könne sich jedenfalls nicht darauf verlassen, dass Gaslieferungen aus den USA die Energie-Importe aus Russland zur Gänze ersetzen. Das geplante Freihandelsabkommen würde es aber "sehr viel leichter" machen, Gas nach Europa zu exportieren.

In seinem Statement zum Abkommen selbst sprach Obama die Sorgen an, die es auf beiden Seiten des Atlantiks gibt (siehe Artikel rechts): "Unsere Öffentlichkeit hat legitime Fragen." Er versichere jedoch, dass es nicht zu niedrigeren Standards bei Umwelt- und Konsumentenschutz kommen werde.

Brüssel lahmgelegt

Abgeriegelte Straßen, gesperrte U-Bahn-Stationen, weiträumige Sicherheitszonen rund um das Hotel, das Brüsseler Ratsgebäude, die präsidiale Route – Obamas Besuch legte Brüssel für 24 Stunden lahm. Hunderte Polizisten waren im Einsatz für den US-Präsidenten und seine 900-köpfige Entourage; Brüssels Bürgermeister schätzt die Kosten für die Stadt auf zehn Millionen Euro. Ein beträchtlicher Aufwand für einen Kurzbesuch im NATO-Hauptquartier, eine Rede im Palast der Schönen Künste – und ein einstündiges Arbeitsessen mit den Spitzen der EU.

TTIP: Das Freihandelsabkommen EU/USA

Verhandlungen Seit 2013 verhandeln die EU-Staaten (vertreten durch die Kommission) mit den USA. Vier Gesprächsrunden gab es bereits, die Kommission rechnet mit einem Abschluss des Abkommens im Jahr 2015.

Erwartungen Durch den Wegfall von Zollschranken und gemeinsame Standards soll der transatlantische Handel angekurbelt werden. Laut Studie der Kommission kann das der EU 119 Milliarden pro Jahr bringen.

Österreich werde einem "Verschlechterungsabkommen für Umwelt- und Sozialstandards" nicht zustimmen: Das sagte Bundeskanzler Werner Faymann am Mittwoch in der von den Grünen initiierten "Aktuellen Stunde" zum Transatlantischen Handels- und Investitionsabkommen TTIP zwischen EU und USA .

Grünen-Chefin Eva Glawischnig warnte: Das Abkommen diene US-Kommerzialisierungsinteressen in der Landwirtschaft oder Lebensmittelproduktion. Zu befürchten sei, dass Firmen mit einem Sonderklagerecht zum Schaden der Menschen Investitionsverluste einklagen könnten. Außerdem könnte sich – etwa im Chemikalienbereich – das Risikoprinzip gegenüber dem europäischen Vorsorgeprinzip durchsetzen. Dem Bundeskanzler warf sie "Geheimniskrämerei" vor.

Faymann sagte, die EU und Österreich hätten in sozialen und Umweltfragen deutlich höhere Standards als die USA. Das Thema Investitionsschutz dürfe keine versteckte Hintertür für die Privatisierung von Wasser und die Verschlechterung von Standards sein. SPÖ-Konsumentenschutzsprecherin Elisabeth Grossmann warnte: "Wir wollen ganz sicher keine Chlorhühner, Hormonschnitzel und keinen Genmais."

Das Vorgehen des russischen Präsidenten Wladimir Putin auf der Krim sei "durchaus verständlich", die vom Westen beschlossenen Sanktionen seien "dummes Zeug": Das sagt der deutsche Alt-Kanzler Helmut Schmidt, der sich gerade zu einer prominent besetzten Konferenz von Elder Statesmen in Wien aufhält, in einem Interview mit der deutschen Wochenzeitung Die Zeit.

Für Schmidt ist die Situation in der Ukraine "brandgefährlich, weil der Westen sich furchtbar aufregt". Das habe eine Aufregung in Russlands öffentlicher Meinung und Politik zur Folge. Eine mögliche Invasion Russlands im Osten der Ukraine hält Schmidt "für denkbar, aber ich halte es für einen Fehler, wenn der Westen so tut, als ob das zwangsläufig der nächste Schritt sei". Das rege möglicherweise nur den russischen Appetit an.

Die Zusammenarbeit mit Russland in der G8 einzustellen, sei falsch. Es wäre gerade jetzt ideal, sich zusammenzusetzen, "jedenfalls dem Frieden bekömmlicher als das Androhen von Sanktionen". Sie hätten vor allem symbolische Bedeutung, "aber sie treffen den Westen genauso wie die Russen". Für die Vorsicht Angela Merkels in der Sanktionen-Frage findet Schmidt Lob.

Helmut Schmidt hat 1983 ein globales Netzwerk von Elder Statesmen, den InterAction Council, in Wien gegründet. Die ehemaligen Staats- und Regierungschefs treffen sich jährlich, am Mittwoch kamen sie auf Einladung von Franz Vranitzky nach Wien.

Die hochrangige Runde, darunter auch Frankreichs Ex-Präsident Valéry Giscard d’Estaing, beschäftigt sich "mit langfristigen Fragen, die von den jeweiligen Regierungen nicht oder zu wenig beachtet werden", erklärt Vranitzky. Diesmal geht es um das Thema: "Interreligiöser Dialog und die globale Ethik in der Entscheidungsfindung".

Kaum hat sich die unmittelbare Krise um die Krim etwas stabilisiert, brechen tiefe Gräben auf in der Übergangsführung in Kiew. Da sind zum einen offensichtliche Differenzen zwischen Übergangspräsident Turtschinow und Übergangspremier Jazenjuk. Aber dann ist da vor allem auch der Konflikt zwischen gemäßigten Kräften und der rechten Swoboda-Partei – die ihrerseits wieder aus dem außerparlamentarischen, ultrarechten Lager unter Druck gerät.

Der Rechte Sektor, jener Zusammenschluss nationalistischer Gruppen, der als radikale Minderheit maßgeblich die Eskalation der Proteste gegen den gestürzten Präsidenten Janukowitsch betrieben hatte, hat eine Partei gegründet. Ihr Chef, Dmitri Jarosch, will im Mai bei den Präsidentenwahlen antreten.

Bisher ist der Rechte Sektor vor allem ein intransparenter Club paramilitärischer Gruppen patriotischer, nationalistischer und teils faschistischer Prägung, der auch bewaffnet ist. Eine Miliz also. Eine, die sich der Kontrolle des Staates entzieht, ihre Waffen nicht hergeben will – wegen der äußeren Bedrohung, wie es heißt. Man kann auf Erfahrung verweisen: Ukrainische Nationalisten kämpften an der Seite tschetschenischer Separatisten und in der IRA.

Fundament des Rechten Sektors sind militante Verbände mit Tradition in der Gesellschaft der Ukraine. Man beruft sich auf die 40er- und 50er-Jahre, als die UPA, die Ukrainische Partisanenarmee, einen Guerillakrieg gegen die Sowjets kämpfte. Die UPA und ihre Helden (zum Teil Faschisten, zum Teil von den Sowjets verfolgte Menschewiki) sind bis heute nicht nur in militanten Kreisen tragende Symbole des Unabhängigkeitskampfes – zumeist ohne jede politische oder historische Tiefe.

Letztlich spielt der ethnische oder religiöse Faktor auch im ultra-rechten Lager der Ukraine keine tragende Rolle. Einen Anstieg antisemitischer Taten gab es nicht und viele prominente jüdische Ukrainer unterstützten rückhaltlos die Revolution. Besorgnis erregt bei Beobachtern eher die politische Linie des Rechten Sektor: Zwar gibt sich die Gruppe bisher mild, aber die Agenda der Teilgruppen ist alles andere als demokratisch.