Spanien: Konservative gewinnen die Wahl, Regierungsbildung schwierig
Nach einem Auszählungsgrad von 90 Prozent war klar, dass bei der vorgezogenen Parlamentswahl in Spanien die Regierungsmehrheit doch nicht so klar verteilt sein würde. Kurzzeitig sah es sogar nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Sozialisten (PSOE) von Ministerpräsident Pedro Sánchez und den Konservativen von PP-Chef Alberto Feijóo aus.
Die beiden Parteien lagen stimmenmäßig nicht weit voneinander entfernt.
Konservative gewinnen
Nach Auszählung aller Stimmen hat die konservative Volkspartei PP die Parlamentswahl in Spanien am Sonntag zwar gewonnen, aber die absolute Mehrheit auch in einer Allianz mit der rechtspopulistischen Vox verpasst.
Der viertgrößten Volkswirtschaft der EU steht damit eine lange Hängepartie und womöglich eine weitere Wahl bevor.
Obwohl sich die PP um 47 Sitze auf 136 Sitze verbessern konnte, reicht es auch mit den 33 Vox-Sitzen nicht zur absoluten Mehrheit von 176 Sitzen.
PP-Spitzenkandiat Alberto Núñez Feijóo reklamierte vor Tausenden jubelnden Anhängern in Madrid trotz fehlender Mehrheit das Amt des Regierungschefs für sich. "Ich übernehme die Aufgabe, Verhandlungen zur Bildung einer Regierung aufzunehmen", sagte der 51-Jährige.
Es ist aber kaum absehbar, dass andere Parteien ihm im Verbund mit Vox zu einer Regierungsmehrheit verhelfen werden.
Keine Mehrheit im linken Lager
Auch der sozialistische Amtsinhaber Pedro Sánchez dürfte große Probleme haben, eine Neuauflage seiner linken Minderheitsregierung in die Wege zu leiten. Seine Partei konnte sich zwar um zwei Sitze auf 122 Sitze verbessern. Sein linker Partner, das Wahlbündnis Sumar, kam auf 31 Sitze. Zusammen mit kleineren Regionalparteien, mit deren Hilfe er 2019 ins Amt gewählt worden war, käme der Sozialist auch nur auf 172 Stimmen.
Damit wäre er auf die unnachgiebige katalanische Separatistenpartei Junts des 2017 abgesetzten früheren Regionalregierungschefs Carles Puigdemont angewiesen, die auf sieben Sitze kam. Der im belgischen Exil lebende Puigdemont hatte aber zuvor schon eine Unterstützung sowohl der PP als auch der PSOE abgelehnt.
Junts-Chefin Miriam Nogueras machte am Wahlabend klar, dass eine Unterstützung nicht umsonst sein werde. Junts setzt sich für ein erneutes Unabhängigkeitsreferendum notfalls auch gegen den Willen des Zentralstaates ein.
Auch Vox, die 19 Sitze verlor, stellte gleich in der Wahlnacht klar, dass sie in eine Regierung Feijóo wolle oder zumindest Einfluss auf deren Programm. Man werde die eigenen Stimmen "nicht verschenken", sagte Vox-Generalsekretär Ignacio Garriga.
Vox-Chef Santiago Abascal machte auch Feijóo für das schlechte Abschneiden des rechten Lagers verantwortlich. Der PP-Kandidat habe die PSOE aufgewertet, indem er ihr einen Pakt angeboten habe, dass jeder der beiden großen Parteien den Kandidaten mit den meisten Stimmen unterstützen solle, kritisierte Abascal.
Wieder Neuwahlen
Ein langwieriges und politisch heikles Ringen und Pokern um mögliche Regierungsmehrheiten bahnt sich an. An dessen Ende könnten eine politische Blockade und erneute Neuwahlen stehen. Sanchez aber kann für sich verbuchen, den scheinbar vorbestimmten Siegeskurs der Rechtsparteien vorläufig gestoppt zu haben.
Eigentlich hat sich Spanien in den vergangenen Jahren recht gut geschlagen. Ob Pandemie, Gaskrise oder Inflation: Die Regierung Sanchez reagierte in all diesen Krisen flott und konsequent, sorgte mit Maßnahmen wie einem Preisdeckel für Gas sogar europaweit für Aufsehen.
Doch diese sachpolitischen Fragen prägen nicht die Stimmung im Land, und sie haben nicht den Wahlkampf bestimmt. Unüberhörbar dagegen war der Schlachtruf der Rechtsparteien. Die PP und noch lauter „Vox“ forderten ein Ende des „Sanchismo“, also der von Sanchez geprägten Politik. Für die Rechten besteht diese weniger aus realpolitisch wesentlichen Entscheidungen, sondern mehr aus den Reformen, die Sánchez’ Koalitionspartner, das linke Bündnis „Podemos“, vorangetrieben hat.
So setzte man auf Frauenrechte und brachte unter dem Motto „Nur ja heißt ja“ ein Gesetz gegen sexuellen Missbrauch durch – auch in der Ehe. Den darüber ohnehin empörten Rechten legte man durch inhaltliche Schwächen des Gesetzes einen politischen Elfmeter auf. So mussten die Fälle von Hunderten verurteilten Sexualstraftätern neu verhandelt werden. Dazu kam ein umstrittenes Gesetz zum Thema Transgender, das Minderjährigen ab 16 Jahren die Wahl ihres Geschlechts möglich macht. Die Rechte machte dagegen mobil, die Linke hielt dagegen.
Doch diese sachpolitischen Fragen prägen nicht die Stimmung im Land und sie haben nicht den Wahlkampf bestimmt. Unüberhörbar dagegen war der Schlachtruf der Rechtsparteien. Die PP und noch lauter „Vox“ forderten ein Ende des „Sanchismo“, also der von Sanchez geprägten Politik. Für die Rechten besteht diese weniger aus realpolitisch wesentlichen Entscheidungen, sondern mehr aus den Reformen, die Sánchez’ Koalitionspartner, das linke Bündnis „Podemos“, vorangetrieben hat.
So setzte man auf Frauenrechte und brachte unter dem Motto „Nur ja heißt ja“ ein Gesetz gegen sexuellen Missbrauch durch – auch in der Ehe. Den darüber ohnehin empörten Rechten legte man durch inhaltliche Schwächen des Gesetzes einen politischen Elfmeter auf. So mussten die Fälle von Hunderten bereits verurteilten Sexualstraftätern neu verhandelt werden. Dazu kam ein umstrittenes Gesetz zum Thema Transgender, das Minderjährigen ab 16 Jahren die Wahl ihres Geschlechts möglich macht. Die Rechte machte dagegen mobil, die Linke hielt dagegen.
Sozialisten
Die PSOE unter Pedro Sánchez regierten Spanien seit 2018. Jetzt liegt man auf Platz zwei.
Konservative
Die Volkspartei PP regierte von 2011 bis 2018. Diesmal wurden wieder mehr als 45 Sitze dazugewonnen.
Linke
Das linke Bündnis "Sumar" mit Yolanda Diaz liegt matcht sich mit der Rechtsaußenpartei Vox
Rechtsaußen
Die Rechtsnationalisten der Vox mit Parteichef Santiago Abascal wäre ein Regierungspartner der PP, sie verloren allerdings fast 20 Sitze
Sorge um Spanien
Diese ideologisch aufgeheizten Streitereien haben vor allem Vox Rückenwind verliehen. Parteichef Santiago Abascal stilisiert sich zum Verteidiger des wertkonservativen Spanien und dessen bedrohter Einheit. Stoff dafür liefert der Streit mit den Separatisten in Katalonien, die seit Jahren immer vehementer auf die Loslösung drängen. Vox prangerte Sánchez als Opportunisten an, der für den eigenen Vorteil den Zerfall Spaniens riskiere. Die radikalen katalanischen Nationalisten sorgten so für den Aufschwung der spanischen Nationalisten mit Vox als Bannerträger.
Als Bedingung für eine Koalition hatte Vox der PP klare Bedingungen gestellt: Eine klare politische Wende mit der Rücknahme einiger Gesetze der bisher von den Sozialisten geführten Regierung sowie ein deutlich EU-skeptischerer Kurs. Die Verhandlungen drohten ohnedies langwierig zu werden, nun sind aber neuerliche Wahlen innerhalb weniger Monate noch wahrscheinlicher geworden.