"Müssen unbedingt etwas tun": Deutschland vor hartem Lockdown
Von Karl Oberascher
Die deutsche Bild-Zeitung will es schon seit gestern Abend wissen. "Regierung plant Knallhart-Lockdown nach Weihnachten", titelte die Online-Ausgabe des größten deutschen Boulevardblattes da: Ab dem 27. Dezember soll "alles dicht gemacht werden".
Besonders Bundeskanzlerin Angela Merkel soll den deutlich härteren Maßnahmen das Wort reden.
Kommt also wirklich der "harte Lockdown", wie man ihn in Österreich bereits kennt? Rückendeckung bekam Merkel heute jedenfalls gleich von mehreren Seiten.
Experten-Aufruf mit Drosten
Insgesamt 28 namhafte Wissenschaftler forderten in einem dramatischen Appell einen neuerlichen harten Lockdown. Experten der Leopoldina sowie Christian Drosten und RKI-Chef Lothar Wieler wollen bereits ab 14. Dezember die Schulpflicht aufheben und ab Weihnachten "bis mindestens 10. Januar 2021 in Deutschland das öffentliche Leben weitgehend" ruhend stellen, schreibt der Spiegel.Die Forscher würden „im schlimmsten Falle mit 50.000 Neuinfektionen täglich ab Ende Januar“ rechnen, wenn es bei den von der Politik geplanten Lockerungen zu Weihnachten und Silvester und dem derzeitigen Kontaktniveau bleibt. Ein Wert, den man in Österreich – pro Kopf gerechnet – längst erreicht hat.
"Es ist schon so, dass wir jetzt unbedingt etwas tun müssen", sagte der Charité-Wissenschaftler Drosten auf NDR-Info. Werde jetzt nicht nachreguliert, drohe "Ende Januar und über den gesamten Februar hinaus" ein Lockdown mit massiven Folgen für die Wirtschaft.
Handel in Bayern nach Weihnachten zu
Auch einige Bundesländer preschten am Dienstag vor: In Sachsen gibt es bereits ab kommendem Montag einen harten Lockdown, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder kündigte am Dienstag an, dass der Handel in seinem Bundesland nach den Weihnachtsfeiertagen nicht öffnen könne.
In Deutschland gelten seit Anfang November Bestimmungen, die man in Österreich schon vom sogenannten "Lockdown light“ kennt: Die Maskenpflicht wurde ausgeweitet, Kontaktbeschränkungen eingeführt, Schulen und der Handel blieben aber geöffnet. Über die Feiertage soll man sich mit bis zu zehn Personen treffen können.
Dem ausgegebenen Ziel, die Zahl der Neuinfektionen damit auf unter 50 pro 100 000 Einwohnern über sieben Tage zu bringen, ist man seitdem einerseits zwar nicht näher gekommen - aktuell unterschreitet kein Bundesland die Marke – andererseits sind auch die Fallzahlen wie man sie in Österreich kennt, noch lange nicht erreicht.
Aktuell liegt die 14-Tages-Inzidenz bei 304,8 Fällen pro 100.000 Einwohner. In Österreich ist sie – trotz eindeutig sinkender Tendenz – noch immer fast doppelt so hoch. Sie liegt aktuell bei 599,5 Fällen (siehe Grafik oben). Sieht man sich die Neuinfektions-Zahlen der jüngeren Vergangenheit an, so ist in Österreich, das frisch aus dem Lockdown kommt, inzwischen ein ähnliches Niveau wie in Deutschland festzustellen. 23.318 Neuinfektionen gab es von Montag auf Dienstag in Deutschland, in Österreich waren es 2.377.
Entsprechend umstritten soll Merkels Plan laut der Deutschen Presse Agentur in einigen Bundesländern auch sein. Vor allem im rot regierten Berlin und Thüringen mit dem "Linken"-Ministerpräsidenten Bodo Ramelow soll Merkel auf Granit beißen.
Während die Regierungen in Bayern, im Saarland und in Baden-Württemberg wie Merkel auf eine rasche zusätzliche Besprechung der Ministerpräsidenten drängten, bezweifelten die Regierungschefs aus Berlin, Bremen, Niedersachsen und Thüringen, ob schon das nötig sei. Ramelow sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: "Wir haben in der Ministerpräsidentenkonferenz Regelungen bis zum 10. Januar 2021 festgelegt". Jeder wisse, was zu tun sei.