König Charles in der Bürgerkriegsprovinz Nordirland
Von Konrad Kramar
Wenige Tage erst König und schon musste Charles am Dienstag seine wohl bisher heikelste Reise antreten: Nach Nordirland. Eine Maschine mit dem neuen Staatsoberhaupt und seiner Ehefrau Königin Camilla an Bord landete am Dienstag nach kurzem Flug in Belfast. Der Besuch in der nordirischen Hauptstadt ist Teil des royalen Zeremoniells, das nach dem Tod der Queen eingehalten werden muss - allerdings auch viel mehr, gerade für Charles. Der König war ein junger Mann, als sein Großonkel und enger väterlicher Freund Opfer eines Anschlags der nordirischen Terrorgruppe IRA wurde. "Onkel Dickie", wie Charles ihn nannte, starb, als eine Bombe der IRA sein Fischerboot zerfetzte.
Die Erben der IRA
Charles und Camilla sollten am Dienstag auch die Hände jener schütteln, die einst selbst in der IRA aktiv gewesen waren, oder zumindest der enge politische Verbündete. Die Sinn-Fein-Partei, einst politischer Arm der IRA, ist heute stärkste Partei in Nordirland. Der Besuch in der britischen Provinz soll auch die Zugehörigkeit der früheren Bürgerkriegsregion zum Vereinigten Königreich unterstreichen - Entsprechend waren es vor allem pro-britische Protestanten, die mit Union-Jack-Fahnen begeistert die Straßen säumten.
Charles und Camilla wollten zunächst eine Ausstellung über die lange Bindung von Queen Elizabeth II. mit Nordirland im königlichen Schloss Hillsborough besichtigen. Die verstorbene Königin hat Nordirland bis zuletzt regelmäßig besucht
Später trifft Charles den britischen Nordirland-Minister Chris Heaton-Harrris sowie Chefs der nordirischen Parteien, also auch der Sinn Fein. Dann nimmt er die Beileidsbekundung des Regionalparlaments entgegen.
Nach einem Treffen mit geistlichen Würdenträgern nimmt das Königspaar an einem Gebet in der St.-Anne-Kathedrale teil. Auch die neue britische Premierministerin Liz Truss und der Regierungschef des Nachbarlandes Irland, Micheal Martin, werden in Nordirland erwartet. Gerade die Premierministerin mit ihrer harten Brexit-Linie stößt bei vielen Nordiren auf offene Ablehnung.
Charles wird in Nordirland allerdings auch kritisch gesehen - so lehnen viele Anhänger einer Wiedervereinigung mit dem Nachbarland Republik Irland die Monarchie und damit deren obersten Vertreter als Vertreter eines einst autoritär auftretenden Regimes strikt ab. Unterstützer der Union mit Großbritannien hingegen gelten meist auch als Befürworter der Institution Monarchie. Tausende Menschen warteten bereits seit Stunden auf das Königspaar. Für sie ist die Monarchie eine Hoffnung auf Rückhalt in einem Nordirland, in dem sie inzwischen zur Minderheit geworden sind und sich immer stärker unter Druck fühlen.
Brexit als Brandbeschleuniger
Gerade der Brexit mit seinen bisher völlig ungelösten Problemen für das ohnehin arme Nordirland hat die Gewalt in der Provinz von Neuem angefacht. In den letzten Jahren ist es in Städten wie Derry mehrfach zu gewaltsamen Auseinandersetzungen von protestantischen Milizen mit der Polizei gekommen, auch zu Brandanschlägen.
Die Regierung in Nordirland ist wegen der wachsenden Spannungen zwischen pro-irischen und pro-britischen Parteien derzeit wieder einmal lahmgelegt. Das Land wird nur provisorisch verwaltet, eine Lösung ist nicht in Sicht.