Koalitionskrise: Maaßens Aufstieg wird zum Bumerang für die SPD
Eigentlich wollte die SPD diesmal alles anders machen. Im Streit der Unionsparteien CDU/CSU hielt sie sich lange zurück, wirkte wie ein Zaungast, so der Vorwurf. Bei der Debatte um den umstrittenen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen zeigte sie nun klare Kante und forderte seine Ablöse.
Wie dieses Manöver ausging, ist bekannt: Maaßen soll nicht nur als Staatssekretär im Innenministerium aufsteigen, für ihn muss gar ein SPD-Mann Platz machen, der für Bauen und Wohnen zuständig ist – ein Herzensthema der Genossen. Und all das mit Zustimmung von Parteichefin Andrea Nahles, die erklärte später, sie hätte eine „Abwägung treffen müssen“, die Koalition stand auf dem Spiel.
Dementsprechend groß war die öffentliche und interne Kritik. Parteilinke, die die Koalition als Untergang der SPD sahen, fühlten sich bestätigt. Abbekommen haben es aber auch jene, die derzeit wahlkämpfen. Natascha Kohnen, Spitzenkandidatin der Bayern-SPD, forderte deshalb, den Deal aufzukündigen: „Wenn die Personalie Maaßen nicht durch eine Ablehnung im Kabinett aufgehalten werden kann, dann muss die Entscheidung eben korrigiert werden“. Widerstand gab es auch von anderen Landesverbänden.
AfD vor SPD
Was die Genossen vielleicht ebenfalls alarmiert hat, die Debatte schlägt sich auch in den Umfragen nieder: 47 Prozent befürworten einer INSA-Umfrage zufolge Neuwahlen auf Bundesebene. Wer von der Krise profitiert: die AfD. Im aktuellen ARD-Deutschlandtrend liegt die AfD mit 18 Prozent einen Punkt vor der SPD auf Platz zwei in der Wählergunst. Auch das führen interne Koalitionsgegner sowie Opposition auf das Bündnis mit der Union zurück. Für Grünen-Politiker Konstantin von Notz vermittelt die Koalition den Eindruck, niemand traue niemandem und alle seien nur auf ihren kurzfristigen Vorteil bedacht. „Das ist verheerend für alle Beteiligten“, erklärte er im Handelsblatt.
Neue Verhandlungen
Gehen oder bleiben und den Maaßen-Deal aufkündigen? Diese Fragen wollte der SPD-Parteivorstand am Montag diskutieren, bis Andrea Nahles Freitagnachmittag die Notbremse zog: Sie will neu verhandeln, das geht aus einem Brief an Kanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer hervor, der Spiegel Online vorliegt. Darin fordert sie, die Koalitionseinigung über die Zukunft des Geheimdienstchefs „zu überdenken“. Sie verweist auf „die durchweg negativen Reaktionen aus der Bevölkerung“. Dies „sollte Anlass für uns gemeinsam sein, innezuhalten“, schreibt die SPD-Chefin und drängt auf ein neues Treffen. Kanzlerin Merkel willigte bereits ein, erklärte ihr Sprecher. Sie findet es „richtig und angebracht, die anstehenden Fragen erneut zu bewerten und eine gemeinsame tragfähige Lösung zu finden“.
Für Merkel ist die Debatte um Maaßen ein Ärgernis, das wie der Streit mit Seehofer einen Schatten auf ihre vielleicht letzte Amtszeit wirft. Der Wechsel von Maaßen ins Innenministerium war für sie ein Kompromiss, der wie in der SPD nicht allen in ihrer Partei gefiel, aber aus ihrer Perspektive das Fortbestehen der Regierung sicherte. Gleichzeitig war die Law-and-Order-Sektion der Union halbwegs befriedigt, ebenso ihr CSU-Minister, der stets seine schützende Hand über dem Verfassungsschutzchef hielt.
Ob sich er auf einen neuen Deal einlässt? Seehofer erklärte der dpa, dass eine erneute Beratung nur dann Sinn mache, „wenn eine konsensuale Lösung möglich ist. Darüber wird jetzt nachgedacht“. Mit Sicherheit auch im Willy-Brandt-Haus, wobei noch offen ist, wie weit die SPD gehen will. Gibt sie sich erst zufrieden, wenn Maaßen kein öffentliches Amt mehr besetzen darf, wie es Juso-Chef Kevin Kühnert fordert? Oder will sie den Job des SPD-Staatssekretärs sichern? Fraglich ist, ob sie die Koalition zum Druckmittel macht – auch Neuwahlen könnten ein Bumerang sein.