Italiens Regierung zerbricht am Corona-Streit
Von Konrad Kramar
Die Regierungskoalition in Italien ist geplatzt. Der kleine Koalitionspartner Italia Viva des früheren Ministerpräsidenten Matteo Renzi hat am Mittwoch seine beiden Ministerinnen aus dem Kabinett abgezogen. Die Koalition von 5-Sterne-Bewegung und Sozialdemokraten (Partito Democratico, PD) unter dem parteilosen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte hat damit keine Mehrheit mehr im Parlament.
Renzi protestiert auf diese Weise gegen das milliardenschwere Corona-Programm „Recovery Plan“, das die Regierung in der Nacht auf Mittwoch verabschiedet hat.
Der ehemalige Sozialdemokrat, der bis 2016 die Regierung führte, empört sich über das Chaos in der Regierung beim Umgang mit den Hilfsgeldern aus den Töpfen der EU. Italien würde sich durch die Unfähigkeit seiner Politik und daher fehlende Hilfsanträge um Milliarden bringen.
Renzi fordert, dass Italien die 208,6 Milliarden Euro aus dem EU-Wiederaufbaufonds nur für neue Projekte ausgibt und nicht für Investitionen, die schon vor der Pandemie vorgesehen waren. Dem widersetzt sich Finanzminister Roberto Gualtieri. Die Staatsverschuldung sei infolge der Pandemie auf 155 Prozent des BIP geklettert und dürfe nicht noch mehr steigen.
„Demokratie hat gewisse Formen, die respektiert werden müssen, was im letzten Jahr nicht geschehen ist“, sagte Renzi. Er beschuldigte Conte, während der Pandemie in Alleinregie das Land geführt zu haben. Renzis Gegner sprechen von einer Intrige des Ex-Premiers gegen seine ehemalige Partei, die Sozialdemokraten.
Angesichts des eskalierenden Koalitionsstreits in der Regierung hat Conte am Mittwoch Staatspräsident Sergio Mattarella getroffen und mit ihm über die jüngsten politischen Entwicklungen konferiert. Die zweite Regierung Conte ist seit September 2019 im Amt.
Neuwahlen verhindern
Sollte die Regierung stürzen, wird Mattarella Gespräche starten müssen, um einen Ausweg aus der Krise zu finden. Nicht ausgeschlossen wird, dass einige Parlamentarier, die der gemischten Fraktion im Senat angehören, das Kabinett Conte stützen könnten, um somit baldige Neuwahlen zu vermeiden.
Was will Renzi wirklich, fragen sich politische Beobachter in Rom. Revanche? Wenn dem so ist, wäre Conte nur das Bauernopfer, die wahre Zielscheibe wären jedoch seine ehemaligen sozialdemokratischen Parteifreunde. In seinen Augen sind sie für seinen Rücktritt als Premier, nach dem verlorenen Verfassungsreferendum Ende 2016, verantwortlich. Viele Sozialdemokraten hatten dagegen gestimmt und ihn so regelrecht aus dem Amt geworfen.
Seitdem kam er ihnen immer wieder in die Quere. Er war es, der sie in die Koalition mit den ungeliebten Fünf Sternen drängte, nachdem der rechte Lega-Chef Matteo Salvini die erste Conte-Regierung 2018 platzen hatte lassen. Kurz danach gründete Renzi seine neue Partei, um sich Beinfreiheit zu verschaffen. Und jetzt soll die Koalition nach seiner Pfeife tanzen. Ob das aufgeht, wird sich weisen. Denn Neuwahlen kann auch Renzi nicht wollen. Im Umfragen liegt seine eigene Partei „Italia Viva“ nur bei drei Prozent.