"Kinder" war zu lesen - dennoch donnerten Bomben auf Mariupols Theater
In der seit drei Wochen belagerten und unter Dauerbeschuss russischer Truppen stehenden Stadt Mariupol ereignete sich Mittwoch Abend die nächste Katastrophe: Das Theater der Stadt wurde bombardiert. In dem Gebäude könnten sich mehr als 1000 Schutzsuchende aufgehalten haben. Vor und hinter dem Theater war riesengroß auf russisch zu lesen gewesen "Kinder".
Weil die russische Armee das Viertel, in dem das Theater liegt, fortgesetzt beschießt, können bisher noch keine Angaben über die Zahl der Opfer gemacht werden. Von dem Gebäude stehen nur noch rauchende Trümmer.
Zwei noch in der Stadt ausharrende Journalisten der Nachrichtenagentur AP berichten, wie bei früheren Angriffen umgekommene Kinder in einem schnell ausgehobenen Massengrab begraben werden. Die Totengräber müssen schnell sein, denn der Beschuss hört nie auf.
Im einzig noch existierenden Krankenhaus der Stadt ist die Leichenhalle so voll, dass die Toten einfach in den Keller gelegt werden. Dort liegen bereits Dutzende Leichen.
Besonders dramatisch sei die mangelnde Wasserversorgung, schilderte Vize-Bürgermeister Serhij Orlow dem Magazin „Forbes Ukraine“. „Ein kleiner Teil der Menschen kann privat Wasser aus Brunnen entnehmen“, sagte er in dem Interview, das ukrainische Medien am Donnerstag aufgriffen.
Da die Heizungen ohnehin nicht mehr funktionierten, entnähmen manche Wasser aus den Heizungsrohren, um es zu trinken. „Manche sagen auch, dass sie es aus Pfützen nehmen. Als es Schnee gab, haben sie den geschmolzen.“
Orlow sagte weiterhin, dass 80 bis 90 Prozent der Gebäude in Mariupol bombardiert worden seien.„Kein einziges Gebäude ist unbeschädigt.“
Er warf den Russen vor, gezielt Zivilisten zu attackieren, um so eine Kapitulation der Stadt mit ihren zu Kriegsausbruch 400 000 Einwohnern zu erzwingen. Russland beteuert stets, nur militärische Ziele anzugreifen.
"Mein Kind verhungert"
Das Schlimmste für ihn sei, den Bewohnern nicht helfen zu können, sagte Orlow: „Eine Mutter ruft an, sie schreit nicht, sie schimpft nicht, sie fragt mit ruhiger Stimme: “Ich halte mein Kind im Arm, es verhungert, was soll ich tun?„ Und du hast keine Antwort auf die Frage.“
Ukrainischen Angaben zufolge hatten in den vergangenen zwei Tagen Tausende Menschen Mariupol in rund 6500 Privatautos verlassen können. Viele stecken aber weiter in der Belagerung fest.