Kim schaltet Verhandlungsteam aus - Gesandter hingerichtet?
Von Stefan Schocher
Sieben Personen hatten den Sarg seines Vaters Kim Jong-il am 28. Dezember 2011 zur letzten Ruhestätte getragen – in kommunistischen Ländern ein Zeichen besonderen Ranges. Dann, nur einen Tag später, übernahm Kim Jong-un die Führung Nordkoreas. Und all jene sieben Personen, die den Sarg seines Vaters getragen hatten, wurden entweder hingerichtet oder seither nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen.
Staatsmedien donnern
Das markierte den Beginn einer Serie. Und die reißt nicht ab. Wie die südkoreanische Zeitung Chosun Ilbo jetzt berichtete, hat sich Nordkoreas Diktator nach dem gescheiterten Hanoi-Gipfel mit US-Präsident Donald Trump im April quasi seines gesamten Verhandlungsstabes entledigt. Der Sondergesandte Kim Hyok-chol sei nach seiner Rückkehr im März am Flughafen Pjöngjangs erschossen worden, heißt es – und mit ihm vier weitere Verhandler. Der Vorwurf: Spionage für die USA. Hyok-chol war zusammen mit seinem US-Gegenüber Stephen Biegun für die Vorbereitung des Treffens in Hanoi verantwortlich.
Eine Bestätigung von nordkoreanischer Seite für die Hinrichtungen lag zunächst nicht vor. Allerdings donnerte Nordkoreas Parteiorgan Rodong Sinmun gegen „anti-revolutionäre“ und „parteifeindliche“ Aktionen, die es gegeben habe und deren Betreiber die „strengste Strafe“ verdienten. Zuletzt als das Parteiblatt diese Worte benutzt hatte, hatte Kim Jong-un gerade seinen Onkel, Jang Song-thaek, hinrichten lassen. Das war 2013.
Die jetzige Säuberungsaktion geht aber allem Anschein nach über die fünf Hinrichtungen weit hinaus. So soll auch der hochrangige Parteifunktionär Kim Yong-chol abgesägt worden sein. Den Berichten zufolge, wurde er in ein Arbeitslager gebracht. Yong-chol war Vize-Vorsitzender des Zentralkomitees der Arbeiterpartei Nordkoreas und Chef der „Vereinigten Front“, jener Abteilung in der Partei, die für die Beziehungen zu Südkorea zuständig ist. Er galt als rechte Hand Kim Jong-uns. In den Atomgesprächen mit den USA hatte er als Gesandter direkt mit US-Außenminister Mike Pompeo verhandelt.
Und in ein Lager gesteckt wurde anscheinend auch Shin Hye-yong, Kim Jong-uns Übersetzerin beim Treffen in Hanoi, – weil sie ein Angebot des nordkoreanischen Machthabers an Trump nicht korrekt übersetzt habe.
Kim Jong-uns kleine Schwester, Kim Yo-jong (sie ist Direktorin des Propagandaministeriums), sei zudem dazu gezwungen worden, unterzutauchen. Auch sie trat seit dem Gipfel nicht mehr öffentlich auf. Yo-jong schreibt die Reden ihres Bruders und ist für die Organisation seiner Reisen zuständig.
Solch Säuberungsaktionen stalinistischen Ausmaßes deuten Beobachter als Schwäche. Denn entweder regt sich in den höchsten Rängen des Regimes tatsächlich Widerstand (Anlass dazu gebe es genug, gerade derzeit droht eine neue Hungersnot) oder Kim Jong-un wird von haltloser Paranoia getrieben – und wütet in Folge in seinem engsten Umfeld.
Stillstand
Für die internationale Politik des Landes bedeutet der Kahlschlag in den Rängen der Diplomaten vor allem eines: Bis ein neues Verhandlungsteam steht, wird sich in den zentralen Fragen (Atomstreit mit den USA, Annäherung an Südkorea, Aufweichung der internationalen Sanktionen) nichts bewegen. Und: Es könnte eine Kursänderung geben.
In der Tat steht alles still: Bereits vor geraumer Zeit habe Seoul wegen eines neuen Gipfeltreffens eine Anfrage an den Norden geschickt, heißt es – aus Pjöngjang sei dazu bisher keine Antwort gekommen. Zudem ist das Verbindungsbüro in der Grenzstadt Kaesong seit dem Hanoi-Gipfel verwaist.