"Kein Bananenstaat": Mandelas Ex-Haftgenosse über Südafrika
Von Walter Friedl
Sein engagierter Kampf gegen das Apartheid-Regime brachte ihn schon als Teenager ins Gefängnis. Mit 15 fasste Dikgang Moseneke zehn Jahre Haft aus, die er teilweise auf Robben Island mit der südafrikanischen Freiheitsikone Nelson Mandela verbrachte.
Noch heute gerät der nun 70-Jährige ins Schwärmen, wenn die Rede auf seinen berühmten Mithäftling kommt.
„Er war wie ein Vater für mich. Selbst unter den härtesten Bedingungen war allen klar, dass er die natürliche Führungsfigur ist. Und er war ein Meister im Verhandeln: Als wir einen letztlich 18 Tage dauernden Hungerstreik abhielten, um bessere Haftbedingungen zu erzwingen, gelang ihm ein guter Deal. Dann kam er zu uns und sagte: ,Hört auf, ihr schaut ja schon aus wie Geister‘“, erzählte Moseneke jüngst bei einem Wien-Aufenthalt dem KURIER.
Durchhaltevermögen
Er selbst überlebte die zehn Jahre hinter Gittern laut eigenen Angaben mit einer Doppelstrategie.
„Wir haben gewusst, dass diese Regierung (die bloß die weiße Minderheit vertrat) basierend auf der Rassentrennung nicht ewig halten würde. Wir wollten sie weghaben, sahen uns als Revolutionäre – das gab Kraft und Durchhaltevermögen“, betonte der ehemalige Aktivist.
Zusätzlich Halt und Perspektive hätten ihm zunächst sein Schulabschluss und dann seine Studien gegeben, die er im Gefängnis begann: Zuerst Literatur und Politik, dann Jus.
Mit Letzterem startete er in Freiheit seine Berufskarriere, die einen steilen Verlauf nehmen sollte.
Mit Hartnäckigkeit setzte er in den 1970er-Jahren als erster Schwarzer durch, in die Rechtsanwaltskammer in Pretoria aufgenommen zu werden.
Am Beginn der 1990er-Jahre war er maßgeblich an der Ausarbeitung der Übergangsverfassung beteiligt. Und schließlich wurde er 2002 Höchstrichter, ab 2005 (bis 2016) sogar Vize-Vorsitzender dieses Gremiums.
25 Millionen in Armut
Im heutigen Südafrika ortet der Jurist vier große Probleme: Die nach wie vor sehr ungerechte Landverteilung, „noch immer sind rund drei Viertel der guten Böden in weißem Besitz“ – mit der Konsequenz, dass die „Militanz“ zunehme.
Auch die „historische Ungleichheit“ im Sozialbereich sei zu wenig bekämpft worden: „Noch immer muss die Hälfte meiner Landsleute in Armut leben, das sind 25 Millionen Menschen.“
Zudem seien die Gewaltraten inakzeptabel hoch und die Korruption im öffentlichen Sektor allgegenwärtig, was dazu führe, dass Geld für Bildung oder Gesundheit fehle. „In all den Punkten hat der (regierende) ANC versagt.“
Auf der Habenseite nach dem Ende der Apartheid 1994 verbucht Moseneke den friedlichen Übergang, eine wirklich funktionierende Demokratie, eine unabhängige Justiz und eine relativ gute Infrastruktur. „Bananenrepublik sind wir wahrlich keine.“
Seine Vision für die Zukunft formuliert der 70-Jährige so: „Zurück zu den Idealen, als unser Freiheitskampf startete – zu einer gerechten, demokratischen, offenen Gesellschaft.“