Karin Kneissl über Doppelstaatsbürger und Erbsenzähler
Von Andreas Schwarz
Die österreichische Außenministerin und Journalisten, das ist jetzt keine Liebesbeziehung. Zumindest was österreichische Medienleute betrifft. Die in Israel und anderswo stellen klügere Fragen, hat Karin Kneissl einmal gesagt, weshalb sie keine großen Mediendelegationen mehr auf Reisen mitnimmt. Lieber publiziert sie eigene Aufsätze in gewogenen Boulevardblättern oder internationalen Zeitungen.
Dennoch war am Dienstag der Andrang im Alois Mock-Saal des Außenministeriums groß, als die Hausherrin zu einem Rückblick und Ausblick lud. Brav erschienen die Medienvertreter wie erbeten eine halbe Stunde vor Beginn der Veranstaltung – wenn die Ministerin schon einmal spricht ...
Sie sprach dann in ihrer Tour d’horizon über
- den Afrika-Gipfel unter österreichischer EU-Präsidentschaft und die EU-Asien-Strategie: „Ich habe das öfter gesagt – es gibt zu viel Erbsenzähler, zu viel Krämer-Mentalität in der EU. Mehr über den Tellerrand blicken.“
- Syrien und die österreichische Initiative, dort ehebaldigst die Minenräumung voranzutreiben, wofür man mit Organisationen wie dem Roten Kreuz oder dem Minen-Aktionsdienst der UNO (Umas) in Kooperation sei. Österreich habe eine Task force eingerichtet und will einen Fonds mit zunächst 5,3 Millionen wieder aktivieren. Der ländliche Raum müsse minenfrei werden, und es brauche Unterstützung für jene, die freiwillig nach Syrien zurückkehren. „Ich habe das in meiner Rede vor der UN-Generalversammlung hervorgehoben, sowohl in der arabischen als auch in der englischen Version“, sagte Kneissl.
- die EZA (Entwicklungszusammenarbeit) und den AKF (Auslandskatastrophenfonds), der entgegen bösen Fragen („Ich erinnere mich an viele Interviews, die ich von Jänner bis November führen musste ...“) nicht gekürzt worden sei. 20 Millionen Euro seien u. a. für Syrien, Afrika und den Jemen ausgeschüttet worden.
- am konkretesten über den Brexit und das Vorhaben der österreichischen Regierung, im Falle eines ungeregelten Brexit den rund 25.000 in Großbritannien lebenden Österreichern eine Doppelstaatsbürgerschaft zu ermöglichen. Dafür müsse Österreich sich teilweise aus der Europaratskonvention zur Vermeidung von Doppelstaatsbürgerschaften zurückziehen – teilweise heißt für drei Ausnahmeregelungen: für Österreicher in Großbritannien, Überlebende der Shoah und Nachkommen sowie für deutschsprachige und ladinische Südtiroler. Für Österreicher türkischer Herkunft sei so eine Ausnahme nicht geplant.
Gefragt, wo im EU-Wahljahr ihr europapolitisches Herz schlage – Vertiefung und Erweiterung der Union oder Fundamentalopposition wie in der Fraktion aus ehemaligem Front National, Lega und FPÖ – verwies die Ministerin (auf FPÖ-Ticket) auf das am Montagabend abgesegnete Bündnis der proeuropäischen Südtiroler Volkspartei mit Salvinis Lega. Und auf die weitere europäische Integration Südosteuropas, („Wir können Südosteuropa nicht als Vakuum abgehängt lassen“), wovon aber auch Niederländer oder Franzosen erst zu überzeugen seien.
Um mit der Ankündigung des Programms „Journalist in residence“ zu schließen, das außereuropäischen Jungjournalisten die Gelegenheit biete, drei Monate lang Europa kennenzulernen – „das wurde möglich durch die Kürzung des Inseratenbudgets um 80 Prozent“, sagte die Außenministerin.