Politik/Ausland

Juncker: Sonderrolle für Briten in EU

Vor der Tür parkt das "Juncker-Mobil", der Wahlkampf-Bus mit überlebensgroßem Konterfei des Kandidaten. Zu dessen Empfang stehen junge Wahlkampfhelfer, mit Fan-Materialien ausgestattet, Spalier. Umringt von ihnen betritt Juncker das Brüsseler Hauptquartier der Europäischen Volkspartei, das eine Überdosis "Juncker for President"-Poster abbekommen hat. Man merkt: Die "heiße" Phase des EU-Wahlkampfs hat begonnen.

Jean-Claude Juncker hat sich einiges vorgenommen: In den vier Wochen bis zur Europa-Wahl wird er eine Intensiv-Tour durch die EU-Mitgliedsstaaten absolvieren. In etwas mehr als der Hälfte der 28 Länder wird er selbst auftreten, in den anderen wird sein Kampagnen-Team präsent sein. Erster Höhepunkt des Wahlkampfs wird am Montag die erste TV-Debatte von fünf EU-Spitzenkandidaten (19 Uhr, Euronews, in Österreich über Kabel und Satellit) – neben Juncker zumindest Martin Schulz (Sozialdemokraten), Guy Verhofstadt (Liberale) und Ska Keller (Grüne), eventuell auch Alexis Tsipras (Linke).

Energie-Union und Job-Programm

Womit er im Wahlkampf punkten will, skizzierte Juncker am Mittwoch in Brüssel: Sollte er vom Parlament zum nächsten Präsidenten der EU-Kommission gewählt werden, wolle er Wachstum und Jobs in den Mittelpunkt stellen: "So, dass die Jungen nicht nur Jobs haben, sondern ordentliche Jobs."

Zweiter Schwerpunkt wäre eine "Europäische Energie-Union": "Wir müssen in der Lage sein, auf andere Energiequellen umzusteigen, wenn der ökonomische oder politische Preis für Energie-Lieferungen aus dem Osten zu hoch wird", sagte Juncker. Der Energie-Mix, also auch die Frage Atomkraft ja/nein, "bleibt sicher Sache jedes Staates".

Als Kommissionschef wolle er auch das Freihandelsabkommen mit den USA abschließen; die Zölle auf transatlantischen Handel seien "anachronistisch". "Ich werde aber nicht die europäischen Standards auf dem Altar des freien Handels opfern", sagte Juncker. Vor allem bei Sicherheit, Gesundheit und Datenschutz könne er sich kein Absenken der jetzigen Standards vorstellen.

Angebot an David Cameron

Neu ist ein weiterer Schwerpunkt in Junckers Programm: Es soll einen neuen, "fairen Deal" mit Großbritannien geben, der den Briten Sonderregelungen erlaube, während die Eurozone weiter zusammenwachse. "Wir müssen das tun, wenn wir Großbritannien in der EU halten wollen", sagte Juncker. Man müsse akzeptieren, dass die Briten weder der Euro- noch der Schengen-Zone beitreten wollen und auch gemeinsame Projekte wie die Europäische Staatsanwaltschaft ablehnen. Junckers "rote Linie" sei die Verteidigung des EU-Binnenmarktes.

Dass Juncker den Briten die Hand reicht, hat auch wahltaktische Gründe: Das Versprechen eines "neuen Deals" soll offenbar Premier David Cameron umstimmen. Er gilt nicht als Fan Junckers und findet auch keinen Gefallen an der Idee, dass einer der Spitzenkandidaten Kommissionschef werden soll.

Genau daran hält Juncker aber – wie Schulz – fest: "Die alten Zeiten, in denen Kommissionspräsidenten im Hinterzimmer ausgekungelt wurden, sind vorbei. Der Spitzenkandidat der Partei mit den meisten Sitzen im Parlament wird Präsident der Kommission." Junckers Chancen stehen gut: Nachdem lange die Sozialdemokraten vorne lagen, hat die EVP derzeit einen knappen Vorsprung.