Johnson gesteht Fehler: "Vielleicht hätten wir etwas anders machen sollen"
Am ersten Jahrestag seines Amtsantritts hat der britische Premierminister Boris Johnson am Freitag Fehler im Umgang mit der Coronavirus-Pandemie eingestanden - das allerdings nicht gerade reumütig, sondern eher widerwillig. Auf die Fragen der BBC-Moderatorin, ob man mit dem Lockdown und anderen Maßnahmen nicht zu spät dran gewesen sei, sagte Johnson etwas widerborstig: "Vielleicht hätten wir etwas anders machen sollen. Wir haben (das Virus) in den ersten Wochen und Monaten nicht in der Art und Weise verstanden, wie wir das gerne getan hätten", so der konservative Politiker.
Vor allem das Ausmaß der Übertragung durch Menschen, die keine Symptome zeigten, sei unterschätzt worden. Ene endgültige Beurteilung des Lockdowns wollte er nicht vornehmen: Es handle sich um "offene Fragen" unter Wissenschaftern, sagte der Premier.
Hälfte der Toten hätte verhindert werden können
Der Epidemiologe und ehemalige Regierungsberater Neil Ferguson vom Imperial College hatte kürzlich gesagt, dass mindestens die Hälfte der mehr als 45.500 Sterbefälle in Großbritannien hätten verhindert werden können, wäre der Lockdown im März eine Woche früher durchgesetzt worden. Die Regierung hatte zunächst auf das Konzept einer sogenannten Herdenimmunität gesetzt und erst vergleichsweise spät eingelenkt. Großbritannien gilt als das am schwersten von der Pandemie betroffene Land Europas.
Auch die massenhafte Überführung von Patienten aus Krankenhäusern in Pflegeheime, ohne sie vorher getestet zu haben, gilt Fachleuten als massiver Fehler, der Tausende das Leben gekostet haben dürfte. Die Regierung von Premierminister Boris Johnson fokussierte sich auf den Ausbau von Kapazitäten für Intensivbetten. Neben fehlenden Tests hatten Berichten zufolge auch viele Heime Schwierigkeiten, an Schutzausrüstung zu kommen.
Massiv hohe Übersterblichkeit
Es gibt sogar Grund zu der Annahme, dass der Pandemie in Großbritannien viele Menschen zum Opfer gefallen sind, die nie auf das Coronavirus getestet wurden. Zahlen der Statistikbehörden zufolge wurden inzwischen beinahe 55.000 Todesfälle erfasst, bei denen die Lungenkrankheit Covid-19 im Totenschein erwähnt wurde. Die sogenannte Übersterblichkeit für die Zeit der Pandemie liegt Berechnungen der "Financial Times zufolge bei über 65.000. Mit Übersterblichkeit ist die Differenz zwischen der Zahl der Todesfälle in diesem Jahr und dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre gemeint.