Jerusalem: Die ganze Welt schaut auf die Heilige Stadt
Von Norbert Jessen
Israel – eigentlich ja Washington – feiert heute den Umzug der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Symbolisch genau zum 14. Mai, dem Tag der Staatsgründung vor 70 Jahren, für die Palästinenser der Tag der Naqba, ihrer Vertreibung 1948. Nur einen Tag zuvor feierte Jerusalem am Sonntag seine Wiedervereinigung 1967 nach dem Sechstagekrieg, nachdem die Stadt fast 20 Jahren gespalten war. Für die Palästinenser der Tag ihrer zweiten Niederlage.
Des einen Freud, des anderen Leid – und wie heißt es doch im Talmud: „Zehn Maß Schönheit kam auf die Erde. Jerusalem bekam neun. Die übrige Welt eins. Zehn Maß Leiden kam auf die Welt. Jerusalem bekam neun. Die übrige Welt eins.“
Für Israels Premier Netanjahu ist heute jedenfalls ein Höhepunkt seiner Politik. Für US-Präsident Trump nach dem Ausstieg aus dem Nuklear-Abkommen mit dem Iran ein weiteres eingehaltenes Wahlversprechen. „Dieses Jahr in Jerusalem“, wandelte US-Botschafter David Friedman den Segenswunsch aus den Pessach-Gebeten ab. Der verspricht den Juden die Ankunft des Messias „nächstes Jahr“.
Hamas-Drohung
Für die Hamas soll im Gegenzug diese Woche zum Höhepunkt ihrer Proteste am Gaza-Sperrzaun werden. Der Hamas-Chef von Gaza, Jechye Sinwar: „Wir durchbrechen den Zaun und beten in der Jerusalemer Al-Aksa-Moschee.“ Klare Ansage. Aber als die Protestierenden aus Gaza am Freitag die Gas-Versorgung aus Israel am südlichen Waren-Übergang sprengten, eilte die Hamas-Führung schon am nächsten Tag Hilfe rufend nach Kairo. Die Ägypter versprachen bis zur jetzt notwendigen Reparatur Ersatzlieferungen. Unter einer Bedingung: Die geplanten Proteste dürfen nicht wieder so explosiv enden wie in den Wochen davor.
Frust und Wut sind in Gaza wie in Ramallah zu finden – auf Netanjahu, auf Trump. Vor allem aber auch auf die arabischen Brüder, von denen sich die Palästinenser erneut in Stich gelassen fühlen.
In Israel ist die Freude indes groß, von Links bis Rechts. Zum Beispiel, wenn der Jerusalemer Oberbürgermeister Nir Barkat beim Aufstellen des neuen Wegweisers „US-Embassy“ sagt: „Es ist kein Traum, sondern Wirklichkeit.“
Nicht die Mehrheit, aber eine große Zahl an Diplomaten aus aller Welt haben sich wider Erwarten zur Eröffnung angesagt. Die EU wollte eigentlich geschlossen boykottieren, was aber östliche EU-Staaten verhinderten. Zwar kommen Deutschland und Frankreich nicht. Tschechien, Ungarn und Rumänien aber schon. Auch Österreich zeigt Flagge.
Itzik, der Gemüse-Händler aus der En Gedi-Straße, amüsiert sich: „Jede Melone haben die Security-Boys einzeln gescannt. Die waren ohne Kerne, wie es draufstand.“ Ein Autofahrer schimpft durchs offene Fenster: „Das war’s mit ruhigem Viertel! Dauernd neue Einbahnschilder. Ständig Streifen. Statt links auf die Hauptstraße und los, fahr ich jetzt fast bis Zur Bachr und dann rechts.“
Im arabischen Nachbarviertel hält sich die Begeisterung ebenfalls in Grenzen. Wortwörtlich. Die Botschaft liegt direkt auf der so genannten „Grünen Linie“, der Grenze bis 1967. Für Ramadan Oude (41) ein Witz: „Liegt die Botschaft eigentlich in Israel“, fragt er lachend. Seinen (Um-)Weg zur Arbeit nimmt er jetzt auch weiter östlich. „Ständig wirst du nach deinem Personalausweis gefragt.“ Sein Name kommt vom Wort für Hitze und Unruhe. Wie der Fastenmonat, der diese Woche beginnt. „Das kann wieder heiß werden“, meint Ramadan.
Altersheim als Botschaft
Jankele versucht gelassen zu bleiben. Dabei hat er wie alle Bewohner des zur Altersresidenz umgepolten Hotels, das künftig die US-Botschaft beherbergen soll, das größte Problem: In zwei Jahren müssen die Senioren raus. Alle sind sie Einwanderer aus der Ex-Sowjetunion, Der weißbärtige Jankele spricht weder Hebräisch noch Englisch. „Redst Jiddisch?“ fragt er und spricht dann so, wie es einmal von Wien bis Lemberg verstanden wurde: „ Da kimmt a naije Ambassade. Aber der Massiach, der kimmt noch nich.“