Politik/Ausland

Jagd auf die Milliarden der gestürzten Despoten

Es dauerte nur eine halbe Stunde, bis die Schweizer Konten des Mubarak-Clans am 11. Februar 2011, nach dem Sturz des ägyptischen Präsidenten, gesperrt waren. Die EU folgte später, sie musste zuerst noch Sanktionen beschließen. Ähnlich lief es zuvor mit den Konten des Ben-Ali-Clans aus Tunesien ab. Seither sind die ägyptischen und tunesischen Gelder, die in aller Welt geparkt sind, eingefroren. Darauf zugreifen können weder die gestürzten Machthaber noch die neuen Regierungen.

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„Mit Ben Alis Geld könnte man die tunesische Wirtschaft ankurbeln“, sagte Shopbesitzer Hamada aus Hammamet im März 2011 zum KURIER voller Hoffnung. Das war zwei Monate nachdem die Tunesier ihren korrupten Machthaber mit wütenden Protesten außer Landes getrieben hatten. Die Hoffnung war groß in Tunesien, Ägypten und auch Libyen, dass die veruntreuten und unrechtmäßig erworbenen Gelder der Despoten, die deren Clans auf der ganzen Welt versteckt hatten, bald wieder zurückfließen würden – an das Volk, dem sie weggenommen worden waren.

Kein Cent für Kairo

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Mehr als zwei Jahre später ist die Hoffnung verblasst. Bis jetzt fand der erhoffte Rückfluss nur tröpfchenweise statt. Aus dem Libanon kamen 28,8 Millionen Dollar von einem Konto von Leila Trabelsi, der Ehefrau von Zine el-Abidine Ben Ali, nach Tunis zurück. Und ein paar Flugzeuge, schreibt derEconomist. Nach Ägypten floss angeblich noch kein Cent.

Dabei hätten Kairo und Tunis eine Finanzspritze bitter nötig. Ägyptens Wirtschaft ist am Sand. In Tunesien sind seit den Aufständen weder Investoren noch Touristen im großen Stil zurückgekommen, Arbeitslosigkeit und Unmut steigen. Beide Länder brauchen Milliarden. Die Regierungen werden langsam unruhig.

Geschickte Geschäfte

Die Präsidenten und ihre Clans hatten die Wirtschaft in ihren Ländern jahrzehntelang kontrolliert. Wer ein Unternehmen in Tunesien gründete, musste mit mindestens 20 Prozent Abgaben auf seinen Gewinn bei den Ben Alis rechnen. Die Söhne von Hosni Mubarak verlangten von ihren „Geschäftspartnern“ bis zu 50 Prozent der Gewinne. Sie waren an international bekannten Firmen in Ägypten beteiligt. Wer nicht zahlte, wurde verfolgt. Vom Fiskus, von der Polizei oder von Schlägertrupps.

Die libysche Gaddafi-Familie soll so bis zu 80 Milliarden Dollar lukriert haben, Ben Ali fünf Milliarden, die Mubaraks laut Schätzungen bis zu 70 Milliarden. Das Geld legten sie dann in Luxusimmobilien etwa in Amerika, der EU und der Schweiz an, kauften Yachten und ließen das Vermögen von Treuhändern möglichst kompliziert und verschleiert auf europäischen Konten – vor allem in der Schweiz – verwalten.

Die Gelder heute auf die gestürzten Despoten zurückzuführen und sie mit konkreten Verbrechen in Verbindung zu bringen, ist schwer. Tausende Überweisungen müssen geprüft werden. Für eine Rückgabe ist dann auch noch eine Verurteilung der betreffenden Person nötig.

Libyen ist anders

Mit den libyschen Geldern im Ausland ist das einfacher. Erstens wird das Geld in Libyen nicht so bitter benötigt wie in Tunesien und Ägypten. Der Wirtschaft geht es vergleichsweise gut. 2012 gab es einen Budgetüberschuss von sieben Milliarden Euro. Das ist vor allem auf die laufenden Öleinnahmen zurückzuführen.

Die eingefrorenen libyschen Gelder in Europa (auch Österreich) sind längst freigegeben. Die Konten gehörten in diesem Fall keinen Privatpersonen, sondern dem Staat. Mehr als eine Milliarde Euro davon sollen auf drei österreichische Banken verteilt sein. Zurückgeflossen ist noch nichts, weil die Gelder entweder gebunden sind oder weil in der jeweils zuständigen libyschen Behörde durch ständige Führungswechsel noch keine Entscheidung getroffen wurde.

Wie viel Geld aus den anderen arabischen Staaten in Österreich „gebunkert“ wurde, verrieten Regierung und Nationalbank dem KURIER offiziell nicht. Eingefroren sind derzeit – aufgrund von Sanktionen – Dutzende Konten von Personen aus Tunesien, Ägypten und Syrien. Vor einem möglichen Rückfluss müssen die Eigentumsverhältnisse geklärt werden.

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Rund drei Viertel der arabischen Despotengelder sollen sich laut Medienberichten in der Schweiz befinden. 1,1 Milliarden Franken (0,9 Mrd. Euro) sind bekannterweise auf schweizer Konten. Das Alpenland kämpft mit dem Image, schmutziges Geld zu verstecken. Auch aus diesem Grund bemüht sich die Regierung um schnelle Aufklärung, welche der arabischen Gelder auf ihren Banken illegal erworben sind.

„Wir wollen die Untersuchungen möglichst bald abschließen“, sagt der zuständige Diplomat im Schweizer Außenministerium, Valentin Zellweger, im KURIER-Gespräch. „Ehrlich gesagt lieber heute als morgen.“ Doch bis die Millionen an Tunis und Kairo zurückfließen können, deren Regierungen vor allem aus aktueller wirtschaftlicher Not heraus starken Druck ausüben, könnten noch Monate oder Jahre vergehen. Denn die Familien von Zine el-Abidine Ben Ali und Hosni Mubarak kämpfen mit den besten Anwälten darum, wieder Zugriff auf ihre Konten zu bekommen.

Der so erhoffte Rückfluss der Gelder an das tunesische und ägyptische Volk kann erst stattfinden, wenn die Ex-Präsidenten in ihren Heimatländern verurteilt sind. Und wenn nachgewiesen werden kann, dass genau die Gelder, die in der Schweiz liegen, illegal erworben wurden.

Es geht um den Ruf

Dass das möglichst schnell über die Bühne geht, liegt nicht nur im Interesse der Regierungen in Tunis und Kairo, sondern auch in jenem der Schweizer. Bern will nicht den Ruf haben, Hafen für Schwarzgelder zu sein. Dazu Zellweger eindeutig: „Für Gelder, die kriminellen Ursprungs sind, gilt das Bankgeheimnis nicht.“ Bei strafrechtlichen Tatbeständen wie Betrug, Korruption oder Diebstahl könne die Regierung relativ schnell handeln.

Undurchsichtig

Die ehemaligen Machthaber haben ihr unrechtmäßig erworbenes Geld auf komplizierte Weise angelegt oder möglichst undurchsichtig über Mittelsmänner veranlagt.

Extravaganzen

Neben Konten leisteten sich die Clans der Despoten aber auch Immobilien, Yachten, Flugzeuge und ganz eigenwillige Luxusgüter. Da sind der goldene Colt Gaddafis oder die 40 Luxusautos Ben Alis noch Kleinigkeiten. Ein Verwandter Ben Alis hielt sich etwa einen Tiger, der täglich vier lebendeHühner fraß.