Kommt jetzt die Fleischsteuer?
Von Josef Siffert
Wir essen unsere Erde auf – so lässt sich, etwas überspitzt, ein Aspekt des am Donnerstag veröffentlichten Sonderberichts des Weltklimarats IPCC zur Klimaerwärmung zusammenfassen. Etwas mehr als ein Viertel der globalen Landfläche unseres Planeten werden laut dem Bericht als Weideland oder für den Anbau von Tierfutter genutzt.
Die industrielle Fleischproduktion gilt weltweit als einer der größten Verursacher von Treibhausgasen und ist global betrachtet für bis zu einem Fünftel aller CO2-Emissionen verantwortlich. Das ist mehr als der Anteil von Autos und Flugzeugen zusammengerechnet.
Angesichts dieser Entwicklung, werden in Deutschland Rufe nach höheren Steuern auf Fleisch laut.
Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbund, forderte, parallel zur CO2-Steuer eine Fleischsteuer einzuführen. Fleisch wird in Deutschland wie die meisten Lebensmittel derzeit mit nur sieben Prozent, statt den üblichen 19 Prozent, besteuert.
CDU-Agrarpolitiker Albert Stegemann griff die neue Steuer umgehend auf, sprach von einem „konstruktiven Vorschlag“ und forderte die Mehreinnahmen zwingend als Tierwohlprämie zu nutzen. Damit könnte man deutsche Tierhalter etwa beim Umbau von Ställen unterstützen. Das freut den deutschen Bauernbund. Auch er meldete sich in der Debatte zu Wort. "Nicht der Fiskus, sondern die Landwirte brauchen Mittel und Unterstützung für eine Weiterentwicklung der Tierhaltung.“
In der SPD ist man geteilter Meinung. "Eine Fleischsteuer, der Einfachheit halber über eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent, wäre ein möglicher Weg, der sich allerdings hauptsächlich auf die Konsumenten bezieht,“ so SPD-Agrarpolitiker Rainer Spiering gegenüber der Welt. Er mahnt ein, dass auch Einzelhandel und Fleischbranche einen Beitrag zu nachhaltigen Nutztierhaltung leisten müssten. Anderer Meinung ist SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider: "Wir wollen keine Erhöhung der Mehrwertsteuer und schon gar nicht für Lebensmittel."
Laut CSU-Generalsekretär Markus Blume steigere die Steuer das Tierwohl nicht unbedingt, sondern mache "Fleisch einfach nur generell teurer." Unions-Haushälter Eckhardt Rehberg (CDU) sagte gleich, eine Erhöhung sei mit ihm nicht zu machen.
Selbst Grünen-Chef Robert Habeck sprach sich gegen eine "isolierte Betrachtung von Einzelsteuersätzen" aus.
Und im Umweltministerium sieht man effektivere Mittel als das Mehrwertsteuerrecht, um das zentrale Problem hoher Tierbestände anzugehen - etwa strengere Düngeregeln und die EU-Agrarfinanzierung. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner begrüßte zwar die gestiegene Sensibilität dafür, dass mehr Tierwohl auch mehr Geld koste. Dieses müsse jedoch „nicht automatisch aus Steuererhöhungen kommen“. Sie verwies etwa auf das geplante staatliche Tierwohlkennzeichen für Fleisch aus besserer Haltung, das auch höhere Preise mit sich bringen soll.
Die Organisation Foodwatch erklärte, sinnvoll für gesündere Ernährung wäre ein Wegfall der Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse. Greenpeace erklärte dagegen, mit der Subvention von Fleisch- und Milchprodukten durch den ermäßigten Steuersatz müsse Schluss sein.
Die zahlreichen Wortmeldungen zeigen: Thomas Schröder hat mit seiner Idee den Nerv der Zeit getroffen. Sowohl Produktion als auch Konsum von Fleisch sind zentrale Faktoren der Klimaerhitzung. Heimische Umweltschutzorganisationen sehen die Klimakrise auch als eine Krise der Nahrungsmittelproduktion. Anstatt zweimal pro Woche Fleisch zu essen, landet bei den meisten Österreichern etwa trotz erhobenen Zeigefingers der Mediziner mehrmals pro Tag Fleisch am Teller oder in der Semmel.
Österreich
Auch hierzulande wird die Diskussion um höhere Steuern auf Fleisch mit Interesse verfolgt – mit unterschiedlichen Positionen. Wenig überraschend kommt vom Verein gegen Tierfabriken (VGT) ein „Klares Ja“ für Steuern. Sie seien ein wichtiges Lenkungswerkzeug und müssten zweckgebunden eingesetzt werden: einerseits zur Förderung der artgemäßen Tierhaltung, andererseits zur Förderung von wirklich umweltfreundlichen Alternativen zu Fleisch. "Fleisch soll und muss zu einem Luxusprodukt werden", so David Richter vom VGT.
Die ÖVP sieht das gegenteilig: Fleisch dürfe eben nicht zu einem Luxusprodukt werden. Ähnlich argumentieren auch die Freiheitlichen. „Eine Klimasteuer auf Fleisch hilft nicht dabei auch nur ein einziges Gramm an CO2 einzusparen. Und im Gegenzug dafür soll noch mehr Billigfleisch aus Massentierhaltung aus den USA und Südamerika importiert werden, nur damit die Industrie noch mehr Autos exportieren darf - das klingt wie ein mehr als schlechter Witz“, so der freiheitliche Agrarsprecher Maximilian Linder via Aussendung. Generell seien die Freiheitlichen gegen jede neue Form der Besteuerung, um vermeintlich das Klima zu retten, besonders wenn diese Steuern gegen die heimischen Bauern gerichtet seien.
Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will erinnert daran, dass die Produktion eines Kilos Rindfleisch in der EU einen CO2-Fußabdruck von durchschnittlich 22 kg hinterlässt, wohingegen Rindfleisch aus Brasilien auf 80 kg kommt, Transport nicht eingerechnet.
Sinnvoller wären laut ihm etwa eine verpflichtende Lebensmittel-Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie sowie hohe Qualitätsstandards und Obergrenzen für Importfleisch.