Politik/Ausland

Hisbollah: Werden Kampf gegen Israel unbeirrt fortsetzen

Nach der Tötung ihres Anführers Hassan Nasrallah will die libanesische Hisbollah-Miliz den Kampf gegen Israel unbeirrt fortsetzen. "Wir wissen, dass der Kampf lang dauern könnte, und wir sind auf alle Möglichkeiten vorbereitet", sagte der stellvertretende Hisbollah-Chef Naim Kassim in einer im Fernsehen übertragenen Rede. "Wenn Israel sich dafür entscheidet, eine Bodenoffensive zu starten, wir sind bereit." Die Kämpfer der Hisbollah würden gegen Israels Armee siegen wie im Krieg 2006.

Die Hisbollah werde dabei auch weiterhin aus Solidarität mit der islamistischen Hamas im Gazastreifen gegen Israel kämpfen, sagte Kassim. "Wir werden unsere Auseinandersetzungen mit Israel fortsetzen und alle Brüder in Gaza unterstützen und den Libanon beschützen."

Kassim sagte, die Organisation trauere um den von Israel getöteten Anführer Hassan Nasrallah. Nasrallah werde "für immer bei uns sein", sagte Kassim. In der Rede, die der Hisbollah-nahe Fernsehsender Al-Manar übertrug, erschien er in Schwarz gekleidet aus einem geschlossenen Raum. Es blieb unklar, von wo aus er sprach und ob die Rede vorab aufgezeichnet wurde. Wer auf als Anführer auf Nasrallah folgen wird, sagte Kassim nicht, sondern lediglich: "Wir werden so bald wie möglich einen (neuen) Generalsekretär wählen."

Biden: Krieg muss vermieden werden

Während Israels Armee mit erneuten Luftangriffen im Libanon, im Gazastreifen sowie im Jemen verstärkt gegen Irans verbündete Milizen vorgeht, wächst die Sorge vor einem umfassenden Krieg im Nahen Osten. Auf die Frage von Reportern, ob dieser noch vermieden werden könne, antwortete US-Präsident Joe Biden: "Das muss er. Er muss wirklich vermieden werden." Er wolle mit Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu reden.

Israel erhöhte indes den Druck auf die Hisbollah, damit diese mit ihren Angriffen aufhört und sich aus dem Grenzgebiet zurückzieht. Während der jüngsten Eskalation kamen in den beiden vergangenen Wochen Medienberichten zufolge Hunderte Menschen durch die israelischen Angriffe im Libanon ums Leben. In Israel sei im gleichen Zeitraum niemand getötet worden.

Derweil bombardierten nach Angaben der israelischen Armee Dutzende Kampfflugzeuge auch im rund 1.800 Kilometer entfernten Jemen Ziele, unter anderem Kraftwerke und einen Hafen, über den die Houthi-Miliz iranische Waffen und militärische Vorräte transportiert haben soll. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig prüfen. Die Hafenstadt Hudaida wurde laut Augenzeugen von Explosionen erschüttert. Der Houthi-nahe TV-Sender Al-Masirah meldete vier Tote. Wie die Hisbollah greift auch die Houthi-Miliz Israel immer wieder an - nach eigenen Angaben aus Solidarität mit der Hamas, gegen die Israel seit fast einem Jahr Krieg führt.

Hamas-Anführer im Libanon tot

Die palästinensische Terrororganisation Hamas meldet den Tod ihres Befehlshabers im Libanon. Fateh Sherif Abu el-Amin sei bei einem israelischen Angriff im Süden des Landes zusammen mit einigen Familienangehörigen getötet worden. Die Hamas ist mit der schiitischen Hisbollah-Miliz im Libanon verbündet. Israel führt im Gazastreifen seit fast einem Jahr Krieg gegen die Hamas und hat zuletzt auch seine Angriffe auf die Hisbollah im Libanon sowie im Jemen erheblich ausgeweitet.

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Es wächst die Sorge, dass Israels Armee zu einer Bodenoffensive im Süden des Nachbarlandes übergehen könnte. Nach der Tötung Nasrallahs hatte Israels Armeechef Herzi Halevi am Samstag diese Möglichkeit angedeutet. Er habe Pläne für das Nordkommando der Streitkräfte gebilligt. "Herausfordernde Tage liegen vor uns", sagte er. Die israelische Armee sei "in höchster Alarmbereitschaft, sowohl in defensiver als auch offensiver Hinsicht, an allen Fronten". Sie sei gerüstet für das, was als Nächstes komme.

Israel könnte in Falle geraten

Experten sprechen von einer möglichen "Falle", in die Israel geraten könnte. Trotz des Todes von Nasrallah und fast der gesamten oberen Führungsebene verfüge die Hisbollah immer noch über Tausende von erfahrenen Kämpfern und ein umfangreiches Waffenarsenal, mit dem sie in ihren südlibanesischen Hochburgen auf vorbereitetem Terrain Israels Truppen erhebliche Verluste zufügen könnte, schrieb das Wall Street Journal. Die Hisbollah könne es gar nicht abwarten, dass Israel im Südlibanon einmarschiert, zitierte die Zeitung eine frühere israelische Abgeordnete und heutige Mitarbeiterin der Denkfabrik Atlantic Council.

Eine israelische Bodenoffensive könne der Hisbollah helfen, sich wieder "aus der Asche" zu erheben und die Unterstützung der breiten libanesischen Gesellschaft wiederzugewinnen, hieß es. Israels Befehlshaber seien sich zwar der Gefahr von Bodenkämpfen bewusst, schrieb die Zeitung. Das politische Problem bestehe jedoch darin, dass Israels erklärtes Kriegsziel - die Rückkehr von 60.000 Israelis, die durch die Hisbollah-Angriffe aus Gebieten entlang der Grenze vertrieben wurden - mit Luftschlägen allein kaum zu erreichen sei.

Durch Israels Angriffe könnten im Libanon nach Angaben des geschäftsführenden Ministerpräsidenten Nadjib Mikati bis zu einer Million Menschen vertrieben werden. Es sei schon jetzt die größte Zahl an Vertriebenen in der Geschichte des Landes, sagte Mikati in Beirut. Im aktuellen Konflikt mit Israel könne es nur eine diplomatische Lösung geben: "Es gibt keine Wahl für uns als Diplomatie." Seit Beginn der neuen Konfrontationen wurden im Libanon nach UN-Angaben mehr als 210.000 Menschen vertrieben, unter ihnen etwa 120.000 Menschen allein im Verlauf der vergangenen Woche.

Die Zahl könnte, auch gemessen an Erfahrungen des vergangenen Kriegs mit Israel im Jahr 2006, den Vereinten Nationen zufolge aber noch deutlich höher liegen. 50.000 Syrer und Libanesen sind zudem ins benachbarte Bürgerkriegsland Syrien geflohen. Trotz der jüngsten massiven israelischen Schläge weigert sich die Hisbollah-Miliz bisher, den Beschuss Israels einzustellen, solange Israels Regierung einer Waffenruhe im Gazastreifen nicht zustimmt.

Die dramatische Schwächung der Hisbollah-Miliz bringe die Islamische Republik Iran in eine "sehr schwierige Lage", zitierte das "Wall Street Journal" Michael Horowitz, Leiter der Abteilung für Nachrichtendienste bei der Beratungsfirma Le Beck International. Die libanesische Miliz sei "ein wichtiger Teil der iranischen Verteidigungsdoktrin und ihr wichtigstes Abschreckungsinstrument gegen Israel". Der Iran stehe nun vor dem Dilemma, die Hisbollah möglicherweise verteidigen zu müssen, hieß es. Vor diesem Hintergrund könnte die Houthi-Miliz im Jemen für den Iran in seiner sogenannten "Achse des Widerstands", mit dem Teheran gegen den erklärten Erzfeind Israel kämpft, noch an Bedeutung gewinnen.

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Israels Luftangriff auf den Jemen erfolgte dem Militär zufolge als Reaktion auf die jüngsten Houthi-Angriffe. Am Samstagabend war unter anderem in der Küstenmetropole Tel Aviv wegen eines Geschosses erneut Raketenalarm ausgelöst worden. Die Miliz erklärte, sie habe den Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv mit einer ballistischen Rakete angegriffen. Diese wurde laut Militär aber noch vor Erreichen des israelischen Hoheitsgebiets abgefangen.

Zuletzt hatte Israels Luftwaffe im Jemen Ende Juli angegriffen. Ziel war auch damals der Hafen von Hudaida als Reaktion auf einen tödlichen Drohnenangriff der Houthi auf Tel Aviv. Derweil griff die israelische Armee nach eigenen Angaben im Norden Gazas erneut eine Kommandozentrale der Hamas aus der Luft an, die sich auf dem Gelände einer früheren Schule befunden habe, wie die Armee in der Nacht auf Montag mitteilte. Man habe vor dem Angriff zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Gefahr für Zivilisten zu mindern. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig prüfen. Die Armee griff nach eigenen Angaben außerdem weitere Stellungen der Hisbollah-Miliz in der Bekaa-Ebene im Osten des Libanons an.