Politik/Ausland

Israel stellt sich auf "langen Krieg" ein: Angriffe auch aus dem Libanon

Nach dem Großangriff der radikalislamischen Hamas stellt sich Israel auf „einen langen und schwierigen Krieg“ ein. Bis zu Israels Sieg werde es keine „Atempause“ geben, erklärte Regierungschef Benjamin Netanyahu am Sonntag. Der nun erklärte Kriegszustand erlaube "weitreichende militärische Schritte". Zehntausende israelische Soldaten kämpfen im eigenen Land gegen militante Palästinenser, die sich immer noch an zahlreichen Orten verschanzt halten. 

„Wir beginnen einen langen und schwierigen Krieg, der uns durch einen mörderischen Angriff der Hamas aufgezwungen wurde“, erklärte Netanyahu. Nach dem Großangriff am Samstagmorgen, der Israel und seine Geheimdienste offenbar überraschte, startete die Armee die Offensive „Eiserne Schwerter“. Einheiten der Armee wurden rund um den Gazastreifen zusammengezogen. Viele Beobachter rechnen mit einem baldigen Einmarsch.

Weitere Ziele im Gazastreifen attackiert

Israels Luftwaffe hat nach den Großangriffen militanter Palästinenser am Samstag in der Nacht auf Sonntag weitere Ziele im Gazastreifen attackiert. Die islamistische Hamas hatte Israel gestern in der Früh mit massiven Raketenangriffen überrascht.  Auch die Hamas setzte den Beschuss in der Nacht auf Sonntag fort. Der Norden Israels soll nach Angaben des Militärs aus dem Libanon beschossen worden sein. Daraufhin habe die israelische Armee libanesisches Gebiet beschossen, teilte das Militär mit. Dafür verantwortlich ist die schiitische Hisbollah, deren Miliz im Süden des Libanon seit Jahren massiv ausgebaute Stellungen hat. Bewaffnet wird die Hisbollah durch den Iran.

Netanyahu kündigte eine harte Reaktion an. "Wir werden alle Orte, an denen die Hamas organisiert ist und sich versteckt, in Trümmerinseln verwandeln", sagte Netanyahu. In den Morgenstunden hieß es aus seinem Büro nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts, Israel müsse sich auf einen "langen und schwierigen Krieg" einstellen. Ziel sei es, die militärischen und regierungstechnischen Kapazitäten der islamistischen Hamas und des Islamischen Dschihad so zu zerstören, "dass sie für viele Jahre nicht mehr in der Lage und bereit sind, die Bürger Israels zu bedrohen und anzugreifen". Die Einfuhr von Strom, Brennstoff und Waren in den Gazastreifen wurde gestoppt.

Die Bewohner des Gazastreifens forderte Netanyahu auf: "Flieht jetzt von dort, denn wir werden überall und mit all unserer Kraft handeln". Israel werde Rache nehmen. "Dieser Krieg wird Zeit brauchen", so der israelische Premier. "Es liegen noch herausfordernde Tage vor uns."

Hunderte Tote auf beiden Seiten

Bisher kamen in Israel laut Medien mindestens 700 Menschen ums Leben, rund 2.000 wurden verletzt. Aufseiten der Palästinenser wurden laut deren Behörden mindestens 422 Menschen getötet und rund 2.300 verletzt. 

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Angriffe aus dem Libanon

Hinter dem Beschuss aus dem Libanon steckt offenbar die libanesische Hisbollah-Miliz. Diese teilte am Sonntag mit, sie habe das von Israel besetzte Gebiet Sheeba Farms an der Grenze zum Libanon mit Raketen und Artillerie angegriffen und stehe in Solidarität mit dem palästinensischen Volk. Am Samstag hatte die Hisbollah erklärt, in Kontakt mit den Anführern der Palästinenser zu sein.

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Israel beansprucht Sheeba Farms, ein 15 Quadratkilometer großes Gebiet an der Grenze zum Libanon, seit 1967 für sich. Syrien und der Libanon sehen das Gebiet als libanesisch. Die Hisbollah-Miliz im Libanon unterhält gute Beziehungen zur militanten, palästinensischen Hamas. Die pro-iranische Hisbollah hatte der Hamas, die seit 2007 die Kontrolle über den Gazastreifen hat, am Samstag zu ihrem Großangriff gratuliert. Sowohl die Hamas als auch die Hisbollah sprechen Israel das Existenzrecht ab.

Eindrücke aus Israel und dem Gazastreifen

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Israel evakuiert Ortschaften im Grenzgebiet zum Gazastreifen

Die israelische Armee evakuiert angesichts des Kriegs mit der im Gazastreifen herrschenden Hamas und anderen extremistischen Organisationen die israelischen Ortschaften im Grenzgebiet. Tausende von Menschen sollten an andere Orte in Israel gebracht werden, sagte der israelische Armeesprecher Richard Hecht am Sonntag. Die Armee erklärte das Gebiet um den Küstenstreifen herum zum Sperrgebiet.

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Angreifer noch im Land

Es gebe noch acht Punkte im Süden des Landes, wo nach möglichen Angreifern gesucht werde, sagte Hecht. Der Sperrzaun zum Gazastreifen sei an 29 Stellen durchbrochen worden, diese seien inzwischen alle unter Kontrolle. Man greife aus der Luft potenzielle neue Angreifer an diesen Punkten an.

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Zivilisten und Soldaten entführt 

Unterstützt von einem Hagel Tausender Raketen waren Hamas-Kämpfer aus dem blockierten Gazastreifen am Samstag in nahe gelegene israelische Städte eingedrungen. Dabei töteten sie mehrere Menschen und verschleppten eine unbekannte Zahl Soldaten und Zivilisten, darunter laut Medien auch Kinder, in den Gazastreifen. Die israelische Botschaft in den Vereinigten Staaten hat in einem Social-Media-Beitrag angegeben, dass 100 israelische Zivilisten und Soldaten entführt worden sein sollen.

Unterstützung aus dem Iran?

Mehrere israelische Städte, darunter die Küstenmetropole Tel Aviv wurden zum Ziel heftiger Raketenangriffe. Der Sprecher der Hamas, Ghazi Hamad, erklärte unterdessen dem Sender BBC, die Gruppe habe direkte Unterstützung für den Angriff vom Iran erhalten. Der Iran habe sich verpflichtet, "den palästinensischen Kämpfern bis zur Befreiung Palästinas und Jerusalems beizustehen". Die Hamas wird von der EU, USA und Israel als Terrororganisation eingestuft.

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Gespräche über die Bildung einer Notstandsregierung

Im Hintergrund liefen unterdessen in Israel am Abend Gespräche über die Bildung einer Notstandsregierung. Regierungschef Benjamin Netanyahu habe den beiden Oppositionsführern Jair Lapid und Benny Gantz den Eintritt in eine Notstandsregierung angeboten, teilte ein Sprecher von Netanyahus Likud-Partei mit. Zuvor hatte Lapid bereits die Bereitschaft dazu signalisiert. Medienberichten zufolge soll ein Treffen zwischen Lapid und Gantz jedoch ohne Einigung geblieben sein.