Politik/Ausland

Hoher Besuch an der EU-Außengrenze mit der Botschaft: Hier geschlossen!

Sie sind in aller Eile eingeflogen, um sich selbst ein Bild von der Lage an der griechisch-türkischen Grenze zu machen: EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, Ratspräsident Michel, Parlamentspräsident Sassoli und der griechische Premier Mitsotakis. Dort sah die EU-Spitze verstörende Bilder: Griechische Grenzpolizisten, die mit Tränengas versuchen, aus der Türkei kommende Flüchtlinge abzuhalten.

Auf der anderen Seite der europäischen Außengrenze harren weiter tausende Menschen in bitterer Kälte aus. Verzweifelt hoffen sie, es doch noch in die EU zu schaffen.

Und so war der mediale Großauftritt der drei EU-Präsidenten als Botschaft an mehrere Seiten zu verstehen: An die Flüchtlinge, die sich nicht auf diesem Weg in die EU aufzumachen sollen. An die gesamte EU, der man demonstrieren will: Anders als 2015 sind die Grenzen dieses Mal geschlossen.

Und vor allem an Griechenland: „Jede nötige Unterstützung“ solle Griechenland erhalten, versprach Kommissionschefin von der Leyen. Denn was das Land nun zu bewältigen habe, das sei eine „europäische Herausforderung“. Und einhellig beschwor die EU-Spitze ihre Solidarität mit Griechenland.

Von der Leyen sagte Griechenland für das Migrationsmanagement bis zu 700 Millionen Euro Unterstützung zu. 350 Millionen Euro seien sofort verfügbar. Weitere 350 Millionen könnten angefordert werden.

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Auch die europäische Grenzschutzagentur Frontex will die schon zugesagte Hilfe ausweiten. So ist die Entsendung eines Versorgerschiffs, von sechs Patrouillenbooten sowie von zwei Hubschraubern, einem Flugzeug und drei mit Wärmebildkameras ausgestatteten Fahrzeugen geplant. Außerdem sollten die derzeit 530 Frontex-Grenzschützer an der Land- und Wassergrenze durch weitere hundert Einsatzkräfte verstärkt werden.

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Späte Unterstützung

Bitter aber ist: Um mehr Solidarität hat die Regierung in Athen schon seit Jahren gebeten. Doch aus den anderen EU-Staaten kamen meist nur Vorwürfe: Griechenland winke Flüchtlinge durch. Griechenland sichere seine Grenze – immerhin eine EU-Außengrenze – nicht ausreichend. Und mit der Forderung, die Flüchtlinge per Quote auf die gesamte EU aufzuteilen, biss Athen in vielen Staaten, darunter auch in Österreich auf Granit. 250.000 Asylanträge hat das Land seit 2015 entgegengenommen (in Österreich: 180.000).

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Doch der Zustrom nach Griechenland wird nicht nachlassen, so lange der türkische Präsident Erdogan keine Kehrtwende vollzieht. Er schickt weiter Flüchtlinge an die EU-Außengrenze und bleibt bei seinem Vorwurf: Die EU halte sich ihrerseits nicht mehr an das 2016 geschlossene EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen. So hatte die EU versprochen, allein 2016 rund 70.000 syrische Flüchtlinge in die EU umzusiedeln – es wurden bisher nur 26.000.

Und die Finanzierung für das größte Hilfsprojekt, das die EU je geschultert hat, läuft allmählich aus. Mit sechs Milliarden Euro werden 3,5 Millionen syrische Flüchtlinge in der Türkei versorgt. Das Geld ging nur an Hilfsprojekte, nicht an die türkische Regierung.

Um das Abkommen weiterzuführen und damit die Versorgung der Millionen Flüchtlinge zu sichern, müssen es die EU-Regierungen abermals verlängern. Darüber aber wird derzeit gestritten, einige Staaten argumentieren: Die EU dürfe sich von Erdogan „nicht erpressen lassen“. Gäbe es grünes Licht, wäre auch das Geld dafür da – im Rahmen des nächsten siebenjährigen EU-Budgets. Die Höhe müsste erst ausgehandelt werden.

Umstrittene Schutzzone

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel verteidigt indes das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei. In einer Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion soll sich Merkel am Dienstag angeblich für eine Schutzzone für Flüchtlinge in Nordsyrien ausgesprochen haben. Dies berichten Teilnehmer der Sitzung, von Merkel selbst gibt es dazu keine Stellungnahme.

Damit würde die deutsche Kanzlerin auf eine extrem umstrittene Forderung Erdogans eingehen. Der hatte ja seine Truppen vor einigen Monaten im Kurdengebiet im Norden Syriens einmarschieren lassen – und wiederum Tausende Menschen vertrieben – um dort syrische Flüchtlinge hinbringen zu lassen.

Türkischer Druck
Die Griechen  fordern von den anderen 26 EU-Staaten  „starke Unterstützung“ bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise

700Millionen Euro
hat die EU am Dienstag Griechenland  versprochen, die Hälfte davon sofort. Das Geld soll in „Migrationsmanagement“ und Infrastruktur fließen

100Frontex-Beamte
zusätzlich wird EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen  für den Grenzschutz in die Region senden

Schlimme Lage
Griechenland meldete 24.200 versuchte Grenzübertritte von Samstag bis Montag. Athen kritisiert das „zynische“ Vorgehen des türkischen Präsidenten Erdoğan

108Millionen Dollar
geben die USA für humanitäre Hilfe der umkämpften syrischen Provinz Idlib.  Erdoğan, der dort gegen das Assad-Regime und damit auch  Russland kämpft, hofft auf die Unterstützung von EU und NATO