Hahn: Referendum über EU-Verbleib der Briten "gute Idee"
Geht man den langen Gang im elften Stock des Berlaymont-Gebäudes entlang, sieht man noch einige nicht ausgepackte Kisten in den Zimmern stehen. Johannes Hahn hat sich in seinem neuen Büro schon eingerichtet: Hinter dem Schreibtisch hängt ein Bild, das Alois Mock beim Durchschneiden des Eisernen Vorhanges zeigt; darunter ein Stück Grenzzaun in einer Schatulle. Hahn hat bei seinem Umzug innerhalb der EU-Kommission nicht nur Dekoration mitgenommen, sondern auch Philosophie und Erfahrungen. Er will die Nachbarschafts- und Erweiterungspolitik in den nächsten fünf Jahren nach den gleichen Prinzipien reformieren wie die Regionalpolitik in den vergangenen fünf: Mit einem Fokus auf Wirtschaftsförderungen – und klaren Reformzielen im Gegenzug zu EU-Fördergeldern.
"Wir werden den Fokus auf die wirtschaftliche Entwicklung der Länder legen müssen", sagt Hahn. "In den EU-Staaten ist die Mehrheit der Menschen erweiterungsmüde, weil jedes neue Mitglied als finanzielle Belastungen dargestellt wird. Deswegen müssen wir sicherstellen, dass die nächsten Neuen ab Tag eins ihrer Mitgliedschaft wirtschaftliche Partner auf Augenhöhe sind."
Investoren-Konferenzen
Konkret will Hahn bei den nächsten Beitrittskandidaten, etwa den Ländern am Westbalkan, bald Investoren-Konferenzen veranstalten: Dort sollen Firmen darlegen, welche Reformen – etwa zu Rechtssicherheit oder Steuerfragen – nötig sind, damit sie investieren können.
EU-Gelder, die an die Kandidaten fließen, will Hahn nicht als Hilfe verstanden wissen, sondern als Investitionen: "Die Rendite kann auch immateriell sein, etwa mehr Zufriedenheit bei den Menschen und dadurch weniger Migrationsdruck in Richtung EU."
Nach zwei Wochen in seiner neuen Rolle spricht Hahn auch schon heikle Punkte an: In den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei will er zwei neue Kapitel zu Justiz und Grundrechten beginnen. Hahns Kalkül: "Verhandlungen sind ein Beitrag zu Veränderung." Einige Mitgliedsstaaten sehen das anders – sie wollen die Eröffnung der Kapitel nicht als Druckmittel, sondern als Belohnung für erfolgte Reformen einsetzen.
Im Gegensatz zu vielen EU-Granden finden Hahn positive Worte für den britischen Premier David Cameron: Die Abstimmung über die EU-Mitgliedschaft der Briten, die bis 2017 stattfinden soll, hält der Kommissar "grundsätzlich für eine gute Idee. So ein Referendum ist eine Chance, damit eine ordentliche Debatte geführt werden kann." Danach, glaubt Hahn, würden sich die Briten für einen Verbleib in der Union entscheiden – und wenn nicht, "gibt es zumindest Klarheit". In einer wachsenden EU sei es "verständlich, dass nicht ständig Sonderwünsche von einem Mitgliedsstaat akzeptiert werden können".