Politik/Ausland

Großbritannien gibt letzte Kolonie in Afrika auf

Von Franziska Trautmann

Nach über 40 Jahren ist es erstmals möglich für die indigene Bevölkerung in ihre ehemalige Heimat der Chagos-Inseln zurückzukehren. Die Regierungen von Großbritannien und Mauritius verkündeten kürzlich eine Einigung im jahrzehntelangen Rechtsstreit um die Chagos-Inseln im Indischen Ozean. 

Mauritius hat 2019 seinen Anspruch auf das Gebiet vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) eingeklagt. Fünf Jahre später konnte man sich einigen - Großbritannien gibt seine „letzte Kolonie in Afrika“ auf. 

Die Chagos-Inseln gehen nun in die Kontrolle von Mauritius über, bis auf die Insel Diego Garcia, die zwischen Großbritannien und den USA als geteilter militärischer Stützpunkt bestehen bleibt. 

Mit der neuen Zugehörigkeit zu Mauritius bietet sich nun die Gelegenheit für die damals vertriebene indigene Bevölkerung, die Inseln wieder zu bewohnen.

Unter kolonialer Herrschaft

Mauritius stand seit 1810 unter kolonialer Herrschaft Großbritanniens. 1968 erklärte das Land der ehemaligen Großmacht seine Unabhängigkeit, trennte sich aber im Gegenzug von den Chagos-Inseln, die unter britischer Kontrolle blieben. 

Zwischen 1968 und 1973 folgte eine zwangsweise Umsiedlung der gesamten Bevölkerung von 2.000 Menschen der 58 Inseln. Die heimische Bevölkerung, genannt „Chagossianer“, wanderte nach Mauritius, auf die Seychellen und in die südenglische Stadt Crawley aus.

Heute bezeichnen mehrere Menschenrechtsorganisationen dieses Handeln als „entsetzliches koloniales Verbrechen“ und beurteilen es als menschenrechtlich verwerflich, weil dieses Vorgehen auf Druck der USA erfolgte. Die isolierten Chagos-Inseln gelegen im indischen Ozean galten als strategisch wichtige Schlüsselposition im Kalten Krieg. 

Militärstützpunkt

Die Hauptinsel Diego Garcias dient seitdem als geheimer militärischen Stützpunkt, der bis heute von den Augen der Zivilbevölkerung verborgen blieb.

Der Gebietsstreit zwischen Großbritannien und Mauritius sorgt schon seit dem ursprünglichen Abkommen in den sechziger Jahren für Diskrepanzen, spitzte sich aber mit 2016 zu. Das Abkommen mit den Amerikanern für den gemeinsamen Stützpunkt auf Diego Gracias neigte sich dem Ende zu und die Briten stimmten für einen Austritt aus der EU. 

Beide Ereignisse beeinflussten die internationale Stellung Großbritanniens nachhaltig. Bis dato konnten die Briten sowohl rechtliches Vorgehen von Mauritius als auch Aufstände der indigenen Bevölkerung abwimmeln. 

Fünfjähriger Rechtsstreit

2019 entschied das UN-Gericht über die Situation der Chagos-Inseln. Das Urteil lautete, die fortgesetzte britische Besetzung sei illegal und Großbritannien möge die Inseln unverzüglich an Mauritius zurückgeben. Die damalige Regierung sah das Urteil nur als Empfehlung an und setzte es dementsprechend nicht um. 

So mussten sich 2022 die Regierungen von Großbritannien und Mauritius, diesmal mit den USA, für erneute Verhandlungsgespräche an einen Tisch setzen. Nach insgesamt 13 Verhandlungsrunden über zwei Jahre lang konnten die drei Parteien eine gemeinsame Lösung finden. 

Die Verhandlungen begannen zwar unter der ehemaligen britischen konservativen Regierung, endeten aber unter der erst im Juli dieses Jahres gewählten sozialdemokratischen Regierung. Die Inselgruppe soll an Mauritius zurückgehen, der britische und amerikanische Militärstützpunkt auf Diego Gracias soll aber für die nächsten 99 Jahre bestehen bleiben. 

Sowohl der britische Premierminister Keir Starmer als auch der mauretanische Premierminister Pravind Jugnauth äußerten sich zum neu beschlossenen Abkommen: „Dies ist ein bedeutender Moment in unseren Beziehungen und ein Beweis für unser anhaltendes Engagement für die friedliche Beilegung von Streitigkeiten und die Rechtsstaatlichkeit“.

Weiters betonten sie, dass die Vereinbarung auch beinhaltet, „die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren und das Engagement beider Parteien für das Wohlergehen der Chagossianer zu demonstrieren“.

Neues Abkommen

Mit dem neuen Abkommen steht auch die Wiederbevölkerung der Inseln durch die einst vertriebene indigene Bevölkerung im Raum. 

Oliver Bancoult, Vorsitzender der Chagos-Flüchtlingsgruppe, äußerte sich begeistert von diesem Ergebnis: „Es war ein langer Kampf, der mehr als 40 Jahre gedauert hat, und viele unserer Leute sind verstorben. Aber der heutige Tag ist ein Zeichen der Anerkennung der Ungerechtigkeit, die den Chagossianern angetan wurde, die gezwungen waren, ihre Heimat zu verlassen.“ 

Trotzdem will nicht jeder zurückkehren. Vor allem, weil die meisten von der Hauptinsel Diego Gracias stammen und diese weiterhin für den Militärstützpunkt unbewohnt bleiben muss.

Zudem kritisiert die „Chagossian Voices“, eine internationale Gemeinschaftsorganisation für Chagossianer, am Verhandlungsprozess ausgeschlossen worden zu sein. Damit seien ihre Stimmen nicht gehört und ihre Rechte ein weiteres Mal übergangen worden.