Politik/Ausland

London will sich von Brüssel weniger dreinreden lassen

Ein Brief, scherzte David Cameron etwas gezwungen, der sei eigentlich gar nicht notwendig: "Was wir mit der EU neu verhandeln wollen, lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Flexibilität".

Etwas ausführlicher wird er schon sein, der Brief mit all den Forderungen Großbritanniens für eine EU-Reform, der heute, Dienstag, an EU-Präsident Donald Tusk geht. In Grundzügen ist ja seit Längerem bekannt, wie sich London seine EU-Mitgliedschaft in der EU vorstellt. Und Premier Cameron nützte eine Rede vor der britischen Industriellenvereinigung am Montag, um diese erneut deutlich zu machen.

Keine Sozialhilfe für EU-Bürger

Zuwanderer aus anderen EU-Ländern sollen erst nach vier Jahren in Großbritannien Zugang zu Sozialhilfe-Geldern haben. Ein klarer Widerspruch zu geltendem EU-Grundrecht, das ja die Gleichberechtigung aller EU-Bürger vorsieht.

Recht für Nicht-Euro-LänderLondon will eine Garantie, dass die Eurozone bei ihren Entscheidungen – etwa in der Griechenland-Krise – auch die Interessen der Nicht-Euro-Länder wie Großbritannien berücksichtigt, damit diese keine Nachteile haben oder zu Zahlungen gezwungen werden können.

Vetorecht Seit in der EU Entscheidungen auch per qualifizierter Mehrheit getroffen werden können – etwa in der Flüchtlingsfrage – können einzelne Staaten auch überstimmt werden. London fordert ein Vetorecht für eine Gruppe von Staaten, die eine Entscheidung ablehnen.

Unumkehrbare Reform

All diese Reformen würden eine Neuverhandlung vieler EU-Verträge notwendig machen, erklärte der Premier. Denn die Ergebnisse müssten "rechtlich bindend und unumkehrbar" sein.

Notwendig macht das vor allem der in Großbritannien inzwischen voll ausgebrochene Kampf von EU-Befürwortern und EU-Gegnern. Bis 2017, so hat es der Premier fix zugesagt, muss das Land über seine EU-Mitgliedschaft abstimmen. In London rechnet man inzwischen fix mit einem Termin schon Mitte nächsten Jahres. Sowohl die Pro-EU-Kampagne ("Britain stronger in Europe"), als auch die der Gegner ("Leave") sind in voller Fahrt. Auch haben in beiden Lagern bereits finanzkräftige Geldgeber Stellung bezogen. Derzeit liegen die EU-Befürworter knapp vorne.

Der Premier hat zwar längst deutlich gemacht, dass er gegen einen EU-Austritt ist, hat aber dafür schon eine Rüge vom Parlament kassiert und verhält sich daher demonstrativ neutral. Er habe "keinerlei emotionale Bindung" an die EU und ihre Institutionen, betonte er auch am Montag. Ihn interessiere nur, was für Großbritannien mehr Vorteile bringe: "Wie haben wir mehr Einfluss in der Welt? Wie kriegen wir mehr Wohlstand, mehr Jobs?" Er wolle aber vor allem den "dümmlichen Argumenten" der EU-Gegner entgegentreten.

Dass man in Brüssel von Neuverhandlungen der EU-Verträge nichts wissen will, weiß auch der Premier. Doch ohne sichtbaren Verhandlungserfolg werden ihn die EU-Gegner zu Hause an die Wand drücken. Also betont er Großbritanniens starke Verhandlungsposition: "Wir können auch außerhalb der EU aufblühen."