Politik/Ausland

Wie die geplante "Ehe für alle" die Griechen entzweit

Es läuft nicht gerade gut für den konservativen Posterboy der EU: Daheim ist Kyriakos Mitsotakis mit protestierenden Bauern, Unzufriedenheit über die hohen Lebenshaltungskosten und einer demonstrierenden Jugend konfrontiert, die gegen die Zulassung ausländischer Privatunis auf die Straße geht. An der europäischen Front kämpft der griechische Ministerpräsident gegen Vorwürfe des Europaparlaments, in seinem Land seien Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und die individuellen Grundrechte bedroht. Es gab sogar eine Empfehlung an die Europäische Kommission, die Auszahlung von EU-Geldern an Athen "zu überprüfen".

Auch um sein Image international wieder aufzupolieren, hat Mitsotakis daher ein Vorhaben auf die Agenda des Parlaments gesetzt, das Hellas zumindest in diesem Bereich wieder auf Linie mit den anderen EU-Ländern bringen soll: die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe im christlich-orthodoxen Griechenland.

Die Mehrheit der 27 EU-Länder hat die Heirat zwischen zwei Frauen oder zwei Männern vor dem Gesetz bereits erlaubt. Mitsotakis gilt seit jeher als Verfechter der "Ehe für alle", wollte sie bereits in seiner ersten Amtsperiode 2019 umsetzen. Nach seiner Wiederwahl im Juni des Vorjahres bekräftigte er sein Vorhaben.

Bevölkerung dafür, Kirche dagegen

Die griechisch-orthodoxe Kirche versetzte das in Aufruhr, sie trommelte vergangenes Wochenende ein paar Tausend Menschen gegen das Gesetz zusammen. Erzbischof Hieronymos II., der höchste Geistliche, verlangte ein Referendum, während der Oberbischof von Piräus Homosexualität als "große Sünde" bezeichnete und wiederholt drohte, dass "diejenigen, die dafür stimmen, nicht Mitglieder der Kirche bleiben können".

Anders dürfte das die Mehrheit der Griechen sehen: In einer Umfrage befürworteten 52 Prozent die Legalisierung.

Griechenland ist das 16. EU-Land, das die gleichgeschlechtliche Ehe zulässt (Estland erlaubte sie mit 1. Jänner 2024), und die erste christlich-orthodoxe Nation. Weitere EU-Länder ermöglichen nur gleichgeschlechtliche Partnerschaften, darunter Italien, Ungarn, Tschechien und Kroatien. In Griechenland war seit 2015 eine eingetragene Partnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare möglich. Zuvor war Athen vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt worden, weil es sich geweigert hatte, eingetragene Lebenspartnerschaften zuzulassen. 36 Länder weltweit, darunter Österreich (seit 2019), haben die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren vor Gesetz genauso anerkannt wie die Ehe zwischen Frau und Mann.

Und auch im Parlament ist der Gesetzesvorschlag angenommen worden – und zwar in einer seltenen parteiübergreifenden Übereinstimmung von linken, sozialdemokratischen und konservativen Parlamentariern. Große Zustimmung hatte der Vorschlag durch die sozialistische Syriza, der größten Oppositionspartei, die seit der Wahlniederlage 2023 nicht mehr von Ex-Premier Alexis Tsipras, sondern von Stefanos Kasselakis geführt wird. Kasselakis ist selbst homosexuell, war für die Eheschließung mit seinem Lebenspartner in die USA gereist.

Mitsotakis hatte den Abgeordneten seiner konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) freigestellt, nach ihrem Gewissen abzustimmen. Es gab zwei Stimmenthaltungen. 46 Abgeordnete nahmen an der Sitzung nicht teil, teilte das Parlamentspräsidium weiter mit. Ein Teil von Mitsotakis’ Nea Dimokratia hatte angekündigt, sich bei der Abstimmung zu enthalten; konservativere Partei-Kollegen wie Ex-Premier Antonis Samaras wollten sogar dagegen stimmen. Gegen das Gesetz demonstrierten im Vorfeld auch die ultranationalistischen und rechtsextremen Kleinparteien und die Kommunisten. Im Parlament ging der Abstimmung eine mitunter heftige Debatte vor. 

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Zurück in die Mitte

Mit der Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe verfolgt Mitsotakis auch eine Rufverbesserung bei einem bestimmten Teil der Bevölkerung, nachdem er in den vergangenen Monaten bei vielen Themen Positionen rechts der Mitte eingenommen hatte – zum Beispiel in der Migrationsfrage. "Mitsotakis versucht, sich zurück in die liberale Mitte zu manövrieren", sagt Nick Malkoutzis vom unabhängigen Polit-Institut MacroPolis. "Er sieht sich gern als griechischer Macron, als konservativer Modernisierer des Landes."

Sein Gesetzesentwurf sei "gerade progressiv genug, um bei Liberalen zu punkten. Gleichzeitig ist er noch so konservativ, um die Stammwähler nicht zu vergraulen." So räumt das Gesetz auch gleichgeschlechtlichen Paaren das Recht auf Adoption ein; eine Elternschaft durch die Hilfe einer Leihmutter bleibt ihnen jedoch weiter verwehrt.