Politik/Ausland

Grenzzaun - "ein Spiel mit dem Feuer"

Dass Österreich erwägt, unter anderem am Brenner einen Grenzzaun zu errichten, ruft viel Kritik hervor. Innerhalb Europas wieder Grenzkontrollen einzuführen, wäre vor allem aus wirtschaftlicher Sicht "eine Katastrophe", warnte gestern Nationalbank-Gouverneur Ewald Nowotny im Ö1-Journal. ÖVP-EU-Mandatar Othmar Karas befindet: "Zäune sind ein Ausdruck der Schwäche von Politik." Südtirols Landeshauptmann Arno Kompatscher (SVP) sagt zum KURIER, das grenzenlose Europa infrage zu stellen, "wäre ein Spiel mit dem Feuer".

KURIER: Tirols Landeshauptmann Platter hat seinen Sanktus zu einem Zaun am Brenner gegeben. Was sagen Sie dazu?

Arno Kompatscher: Für uns Südtiroler ist das besonders schwerwiegend, weil für uns das europäische Projekt natürlich von besonderer Bedeutung ist – das Zusammenwachsen der historischen Landesteile Tirols auf dem europäischen Weg.

Haben Sie mit Platter geredet?

Wir hören uns eigentlich täglich. Platter hat mir versichert, dass ihm die Europa-Region Tirol das größte Anliegen sei. Er sieht sich aber den Sachzwängen und der politischen Debatte ausgesetzt. Ich muss das zur Kenntnis nehmen, dass das eine Folge des Versagens der europäischen Staatengemeinschaft ist.

Appellieren Sie an die Regierung in Wien, keinen Zaun zu errichten?

Ich habe Außenminister Kurz meine Bedenken dargelegt. Es ist eine Schicksalsfrage für Europa. Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk hat gesagt, Europa und speziell Tirol dürfe nicht gesplittet werden.

Platter sagt, ihm wäre lieber, man würde in Südtirol ein Grenzmanagement installieren.

Es wäre nicht richtig, in Südtirol Hotspots zu errichten, weil es nicht logisch ist, Menschen zuerst durch halb Norditalien ziehen zu lassen, sie dann zu registrieren und auf die 26 Regionen Italiens zu verteilen. Wenn, dann muss man das nach dem Eintritt auf italienisches Staatsgebiet machen, das wäre an der Grenze zu Slowenien.

Befürchten Sie, dass es durch einen Grenzzaun zu einem massiven Rückstau von Flüchtlingen in Südtirol kommen könnte?

Das wäre ein Szenario, wenn Italien nicht selbst Maßnahmen ergreift. Ich habe aber am Mittwoch mit Ministerpräsident Renzi gesprochen und klarerweise gefordert, dass Italien im Fall der Fälle selbst Maßnahmen ergreift. Das ist mir zugesichert worden, insbesondere in Bezug auf die Sicherung der slowenischen Grenze.

Tut Italien genug, um seine Außengrenze zu schützen?

Italien hat 2700 Kilometer Außengrenze. Man kann es nicht Italien alleine lassen, das Mittelmeer zu sichern. Es ist auch "Dublin" (EU-Flüchtlingsregelung) zu überarbeiten. Man kann das (die Flüchtlinge) nicht den Erstankunftsländern überlassen – und die anderen lehnen sich vergnügt zurück.

Glauben Sie an eine schnelle Lösung auf EU-Ebene?

Nein, das wäre naiv, aber ich stelle fest, dass es jetzt doch ein Umdenken in Europa gibt und dass sich viele bewusst geworden sind, was man aufs Spiel setzen würde, wenn man Schengen infrage stellt: Das wäre ein Spiel mit dem Feuer.