Politik/Ausland

Greenpeace-Aktivist: "Gesetze gelten nicht"

Noch einmal würde sie das sicher nicht machen, das gibt Faiza Oulahsen offen zu: "Greenpeace ist eine Umweltorganisation und nicht dazu geeignet, um offen gegen Regime zu kämpfen." Genau in einen solchen Kampf aber sind die Umweltaktivisten im Herbst des Vorjahres geraten. Auf ihrem Schiff "Arctic Sunrise" waren sie in die Beringsee ausgerückt, um dort gegen die russische Erdölförderung zu protestieren. Schließlich aber schlugen russische Spezialeinheiten zu, enterten das Greenpeace-Schiff und verhafteten sämtliche Aktivisten. Zwei Monate hat Faiza in russischen Gefängnissen verbracht, bis sie und ihre 29 Kollegen auf Bewährung freikamen.

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Das Schicksal der "Arctic 30" machte international Schlagzeilen, die Bilder der 26-jährigen Holländerin, weggesperrt in einem Stahlkäfig, gingen um die Welt.

Die maskierten Sondereinheiten mit der Waffe im Anschlag, die Nächte auf der Polizeistation, die zwei Monate im Gefängnis: All das hört sich in Faizas Erinnerungen weniger nach blankem Horror als nach einer bitteren Lehre an: "Dieses Regime hat ein deutliches Signal ausgeschickt, ein Signal, dass dort andere Regeln gelten. Die Strategie, die wir sonst für Einsätze anwenden, birgt in einem Land wie Russland unkalkulierbare Risiken."

Politischer Prozess

Für Russland und seinen Machtapparat hat sich die Politikwissenschaftlerin schon immer interessiert. Jetzt aber hat sie erlebt und verstanden, wie der wirklich funktioniert. "Dass unser Verfahren ein politischer Prozess war, das begreifst du erst, wenn du selbst drinsteckst. Deine Aussagen will in Wirklichkeit niemand hören. Beweise interessieren nicht. Gesetze gelten einfach nicht."

Die Tage vor Gericht hören sich in Faizas Schilderungen an wie ein endloser Strudel aus Papieren, die sie unterschreiben musste, aus Anhörungen, die eine reine Farce waren, weil ohnehin niemand etwas von ihnen wissen wollte, aus seltsamen Deals mit Vertretern der Justiz, "die nichts anderes wollten, als dass ich endlich irgendwo unterschreibe".

Mitten in dieser bürokratischen Maschine, in der "Gesetze nur auf dem Papier irgendeinen Sinn ergeben", hat sie begonnen, die Menschen, deren Willkür sie ausgeliefert war, mit anderen Augen zu sehen: "Auf einmal riechst du die Angst der Richter, der Polizisten, begreifst, dass die nur kleine Rädchen sind, die einen Befehl zu erfüllen haben." Und dieser Befehl lautete Verurteilung: Zuerst wegen Piraterie, dann, als das gar nicht mehr zu halten war, wurde "schwerwiegender Hooliganismus" daraus. Die quälendste Angst bereitete der Holländerin die Unsicherheit, wie lange sie tatsächlich in Haft bleiben müsse. Schließlich war das Strafausmaß bis zu zehn Jahre. Als klar wurde, dass es sich um Monate, nicht um Jahre handelte, war auch ein russisches Gefängnis auszuhalten: "Vor allem, als mir klar wurde, dass die Menschen, die mir gegenüber stehen, die Wachen, die Richter, in diesem System ihr ganzes Leben lang drinstecken."