Wer ist die mysteriöse Frau an der Seite des italienischen Kulturministers?
Von Manuel Simbürger
Ganz Italien will derzeit wissen: Wer ist die mysteriöse blonde Frau, die seit geraumer Zeit an der Seite von Kulturminister Gennaro Sangiuliano zu sehen ist – zumindest auf zahlreichen Selfies und Fotos von offiziellen Anlässen?
Es handelt sich, das ist nicht schwer herauszufinden, um die italienische Influencerin (und promovierte Betriebswirtin) Maria Rosaria Boccia (41), auf deren Instagram-Profil Fotos von ihr und Sangiuliano zu sehen sind. Sie behauptete am Montag auf Instagram, von ihm zur "Beraterin des Ministers für Großveranstaltungen" ernannt worden zu sein.
Laut der Onlineplattform Dagospia soll Boccia gar in die Vorbereitungen des G-7-Kulturgipfels vom 18. bis 21. September involviert gewesen sein, habe deshalb auch "sensible Daten" zugeschickt bekommen.
Die Krux dabei: Der Kulturminister will davon nichts wissen.
Der Kulturminister streitet Zusammenarbeit ab
Sangiuliano dementiert, mit Boccia zusammenzuarbeiten – aber nicht, sie zu kennen. Die italienische Tageszeitung La Stampa veröffentlichte einen offenen Brief des Ministers, in dem er schreibt: "Ich traf Dr. Boccia Mitte Mai während des Wahlkampfs für die Europawahlen und stellte fest, dass sie die gleichen Ansichten vertrat." Aufgrund von "Zweifel des Kabinetts" hätte er aber davon abgesehen, Boccia als Beraterin zu ernennen.
Und weiter: "In dieser Zeit hat Dr. Boccia nie an Verwaltungsverfahren teilgenommen. Ich denke, es ist wichtig zu betonen, dass nie ein einziger Euro des Ministeriums, nicht einmal für einen Kaffee, für Dr. Boccias Reisen und Aufenthalte verwendet wurde“, so Sangiuliani. Die Events, im Rahmen derer er sie getroffen habe, hätten "keinen institutionellen Charakter" gehabt. Auch dass Boccia in Besitz von sensiblen Daten bzw. Informationen sei, stimme nicht.
Auch Sangiulianos Sprecher Andrea Petrella betont: "Es gibt keine Ernennung. Ich bin durch die Fotos, die in den Onlinezeitungen aufgetaucht sind, auf diese Dame aufmerksam geworden." Laut Petrella sei Boccia wohl jemand, die eine Akkreditierung angefragt habe.
Meloni steht hinter Sangiuliano
Ministerpräsidentin Giorgia Meloni stärkte Sangiuliano bereits den Rücken: Er habe ihr in einem vertraulichen Gespräch versichert, dass "er in der Tat die Möglichkeit gehabt habe, dieser Person einen unbezahlten Arbeitsauftrag zu erteilen, dann habe er eine andere Entscheidung getroffen, er habe beschlossen, diesen Arbeitsauftrag nicht zu erteilen." Steuergelder seien für Boccia keine ausgegeben worden, betonte auch Meloni.
Boccia wehrt sich – und liefert Beweise?
Boccia aber will die Vorwürfe der Lügen nicht auf sich sitzen lassen. In einer aktuellen Instagram-Story zeigt sie Fotos von E-Mails, die zeigen (sollen), dass sie zur Beraterin ernannt wurde und sie in die Sicherheitsvorkehrungen des G-7-Gipfels eingebunden wurde. Sie veröffentlichte dort auch die Tickets von Flügen, die ihr angeblich vom Kulturministerium im Rahmen ihrer Beratertätigkeit gezahlt worden seien.
Doch wie glaubwürdig ist Boccia wirklich? Die Influencerin, die auch im Hochzeitsmodengeschäft ihrer Familie arbeitet sowie als Modeberaterin u.a. für das Vatikanische Weihnachtskonzert tätig war, erregte in der Vergangenheit bereits Aufsehen, als die Milano Fashion Week sich gezwungen sah, von ihr öffentlich Abstand zu nehmen. Denn Boccia habe auf Instagram den Schein erweckt, als würde sie für die bzw. mit der Fashion Week zusammenarbeiten, was jedoch nicht stimmte.
Opposition fordert Aufklärung
Die Oppositionsparteien fordern eine Klarstellung. "Ist das G7-Kulturtreffen noch sicher?", fragte Irene Manzi, Vorsitzende der Delegation der oppositionellen, sozialdemokratischen Demokratischen Partei (PD) im Kulturausschuss der Abgeordnetenkammer. Die ebenso oppositionelle Partei Italia Viva (IV) erklärte, einen Misstrauensantrag gegen Sangiuliano im Parlament stellen zu wollen.
Die Oppositionsparteien forderten zudem das Außen- und Innenministerium auf, die Angelegenheit zu untersuchen. "Das ist eine sehr ernste Situation, die schwerwiegende organisatorische Mängel aufzeigt, über die wir Klarheit verlangen. Sangiuliano muss alle Facetten dieser undurchsichtigen Affäre um die Ernennung einer Beraterin erklären, die nie offiziell ernannt wurde und die an internen Sitzungen des Ministeriums und an Inspektionen (...) hinsichtlich der Sicherheit und Organisation des G7-Treffens teilnehmen durfte", kritisierte Manzi.
Weiterer Image-Schaden
Der Streit um die Influencerin ist ein weiterer, schwerer Schlag für das Image Sangiulianos, ein Minister aus den Reihen von Melonis Partei Brüder Italiens (Fratelli d'Italia/FdI). So hatte er sich im April mit einer Aussage über den Seefahrer und Amerika-Entdecker Christoph Kolumbus blamiert. Bei einem Kulturevent im sizilianischen Taormina behauptete der Minister, dass "Kolumbus auf Grundlage der Theorien von Galileo Galilei die Erde umrunden wollte, um nach Indien zu gelangen". Der Universalgelehrte wurde jedoch erst 1564 in Pisa geboren, während Kolumbus seine erste Amerika-Reise bereits im August 1492 begann.
Schon im April hatte der Kulturminister Kritik auf sich gezogen, als ihm bei der Vorstellung eines neuen Archäologiepfades im Zentrum von Rom ein Fauxpas passierte. Er behauptete, der Times Square befinde sich in London - und nicht in New York. In einer Erklärung führte er später den Fehler auf die Emotionen des Augenblicks zurück. Zugleich brachte der Politiker seine Absicht zum Ausdruck, in Zukunft vorsichtiger mit seinen Aussagen zu sein.