Lage im Gazastreifen spitzt sich weiter zu
Die katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen spitzt sich nach Angaben internationaler Organisationen weiter zu. Das Shifa-Krankenhaus, die größte Klinik des von Palästinensern bewohnten Küstengebiets, ist laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) trotz Stromausfalls und der israelischen Angriffen auf Gaza zwar weiter in Betrieb, aber nur sehr eingeschränkt. Laut Israels Armee betreibt die Hamas in oder unter Krankenhäusern Kommandozentralen. Diese wies die Vorwürfe zurück.
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Helfer können im Gazastreifen nicht mehr auf Notrufe reagieren, hieß es laut UNO-Angaben. Die Wasserversorgung für Hunderttausende Menschen ist wegen Treibstoffmangels bereits unterbrochen. Auf dem Gelände des Shifa-Krankenhauses sind laut Hamas-kontrolliertem Gesundheitsministerium Dutzende Leichen in einem Massengrab in einem Innenhof beerdigt worden, darunter rund 180 bereits verwesende Körper.
Die Klinik ist aber entgegen den Angaben von palästinensischen Behörden vom Wochenende nicht außer Betrieb, wie die WHO am Dienstag in Genf mitteilte.
"Wir betteln um eine Feuerpause"
WHO-Sprecherin Margaret Harris sagt: "Für uns ist es wegen des heroischen Einsatzes des verbleibenden Personals ein funktionierendes Krankenhaus“. Es seien noch rund 700 schwer kranke Patientinnen und Patienten zu versorgen. "Wir betteln um eine Feuerpause.“
Nach israelischer Darstellung betreibt die Hamas in oder unter Krankenhäusern Kommandozentralen. Im Keller einer Kinderklinik in der Stadt Gaza hatten israelische Soldaten demzufolge zahlreiche Waffen palästinensischer Extremisten gefunden. Es seien dort offenbar auch Geiseln festgehalten worden. Israels Armeesprecher Daniel Hagari veröffentlichte als Beweise entsprechende Videos und Fotos. Die radikalislamische Hamas wies die Vorwürfe zurück und bezeichnete die Aufnahmen als gefälscht. Hamas-Führer Khalil al-Hayya sagte dem Sender Al Jazeera, Israel werfe mit Falschbehauptungen um sich. US-Präsident Joe Biden rief Israel dazu auf, Krankenhäuser mehr als bisher vom Kampfgeschehen zu verschonen.
Nach Angaben der Hamas sind nach israelischen Angriffen 25 der 35 Krankenhäuser nicht mehr nutzbar. „Sie haben auch 94 Regierungsgebäude und 253 Schulen zerstört“, sagt der Hamas-Funktionär Osama Hamdan in Beirut. Die Aussagen ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.
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Zwei Wasserversorger im Süden des Gazastreifens stellten nach UNO-Angaben mangels Treibstoff ihre Arbeit ein. Rund 200.000 Menschen bekämen deshalb kein Trinkwasser mehr, berichtete das UNO-Nothilfebüro OCHA. Damit sei auch eine Verteilung von Hilfsgütern, die über den Rafah-Grenzübergang aus Ägypten kommen, in Frage gestellt. Straßenkämpfe in der Stadt Gaza verhinderten zudem, dass Nothelfer nach israelischen Bombardements auf Hilferufe von unter Trümmern Verschütteten reagieren können.
Knapp 1,6 Millionen der rund 2,2 Millionen auf der Flucht
Israels Armee räumte Zivilisten im nördlichen Gazastreifen am Dienstag erneut ein Zeitfenster für die Flucht in den Süden ein. Zudem nannte ein Armee-Sprecher auf der Plattform X zwei Viertel der Stadt Gaza, in denen es tagsüber eine humanitäre Kampfpause geben sollte.
Insgesamt sind knapp 1,6 Millionen der rund 2,2 Millionen Einwohner des Küstengebiets auf der Flucht. Das UNO-Hilfswerk für Palästinenser (UNRWA) gibt an, in seinen Gebäuden im Süden - darunter viele Schulen - aktuell fast die Hälfte von ihnen zu beherbergen. Israels rechtsextremer Finanzminister Bezalel Smotrich sprach sich für eine "freiwillige Abwanderung“ von Palästinensern aus dem Gazastreifen in mehrere Länder aus. "Die freiwillige Abwanderung und die Aufnahme von arabischen Gaza-Bewohnern durch die Länder der Welt ist eine humanitäre Lösung, die dem Leiden von Juden und Arabern gleichzeitig ein Ende setzen wird“, schrieb Smotrich am auf X. Smotrich hat in der Vergangenheit bereits die Existenz des palästinensischen Volkes geleugnet.
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Der ägyptische Außenminister Samih Shukri wies die Aussagen Smotrichs zurück. Aus Sorge vor einer Massenflucht haben sowohl Ägypten, als auch Jordanien die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Gazastreifen abgelehnt. Das hat auch mit der Befürchtung zu tun, dass daraus am Ende eine dauerhafte Vertreibung werden könnte.
Tod von Geiseln bestätigt
Eine zeitweise unter den von der Hamas in den Gazastreifen verschleppten Geiseln vermutete israelisch-kanadische Friedensaktivistin ist tot. Vivian Silvers Leiche sei gefunden worden, teilte das israelische Außenministerium mit. Die 74-Jährige aus dem Kibbutz Beeri war seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober vermisst worden. Ihr Sohn Yonatan Zeigen war von einer Entführung seiner Mutter in den Gazastreifen ausgegangen.
Silver war als Aktivistin der Organisation Women Wage Peace bekannt. Sie gehörte nach Angaben ihres Sohns auch zu Freiwilligen, die seit Jahren kranke Kinder aus Gaza an der Grenze abholten und zur Behandlung in israelische Krankenhäuser fuhren.
Israels Armee bestätigte am Dienstag außerdem den Tod einer Geisel in der Gewalt der Hamas. Das Militär listete die 19-jährige Soldatin, die den Angaben entführt worden war, unter den seit dem 7. Oktober Gefallenen auf. Der bewaffnete Arm der Hamas behauptete, sie sei am 9. November bei einem israelischen Luftangriff im Gazastreifen getötet worden. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) verhandelt mit der Hamas über Zugang zu den entführten Geiseln. "Wir bestehen darauf, die Geiseln zu sehen“, sagte Sprecherin Fatima Sator am Dienstag in Genf. "Das ist Teil unseres Dialogs mit Hamas.“ Israels Außenminister Eli Cohen war in Genf zu Gesprächen mit der IKRK-Spitze und UN-Organisationen.
Biden ist zuversichtlich: "Haltet durch, wir kommen“
Der Chef des Islamischen Jihad im Gazastreifen, Siad al-Nachala, kritisierte, bei den Verhandlungen über die Freilassung der aus Israel verschleppten Geiseln solle seine Organisation aus jeder Vereinbarung ausgeschlossen werden. Er kündigt an, dass die von seiner Gruppierung festgehaltenen Geiseln in Gefangenschaft bleiben werden, bis sich die "Umstände“ verbessert hätten.
US-Präsident Biden zeigte sich zuversichtlich, dass die israelischen Geiseln frei kommen werden. Er führe deswegen täglich Gespräche mit Beteiligten an den Verhandlungen über die Freilassung der Verschleppten und er glaube, dass dies gelingen werde. "Haltet durch, wir kommen“, sagt er vor Journalisten in Washington an Angehörige der Geiseln gerichtet.
Die USA und Großbritannien beschlossen neue Sanktionen gegen die Hamas mit dem Ziel, diese von ihren Finanzierungsquellen abzuschneiden. Die Maßnahmen beträfen Schlüsselfiguren der Hamas und den Mechanismus, über den der Iran Hilfen liefere, teilte die US-Regierung mit.
Guterres fordert Waffenruhe
UN-Generalsekretär António Guterres hat sich "zutiefst beunruhigt“ über die Lage in den Krankenhäusern im Gazastreifen gezeigt. Diese verzeichneten dramatische Verluste an Menschenleben, ließ Guterres am Dienstag in New York mitteilen. "Im Namen der Menschlichkeit fordert der Generalsekretär eine sofortige humanitäre Waffenruhe“, hieß es in einer Mitteilung.