G7-Finanzminister einigen sich auf globale Mindeststeuer
Die sieben führenden Industrieländer (G7) haben sich laut der Nachrichtenagentur Reuters auf ein Grundgerüst für eine weltweite Steuerreform geeinigt. Vorgesehen ist dabei eine Mindeststeuer für Großkonzerne in Höhe von mindestens 15 Prozent. Das geht aus der Abschlusserklärung des G7-Finanzministertreffens hervor, die der Nachrichtenagentur Reuters am Samstag vorlag. Länder, in denen große Konzerne ihre Umsätze machen, sollen zudem stärker als bisher von den Steuerzahlungen der Firmen profitieren. Das dürfte viele Schwellenländer besserstellen. Die Vereinbarung der Industriestaaten muss nun im größeren Kreis noch bestehen - etwa bei G20 mit den wichtigsten Schwellenländern wie China, Indien und Brasilien. Dabei dürfte das G20-Treffen im Juli in Venedig entscheidend werden.
Der deutsche Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) bezeichnete den Durchbruch als "Steuerrevolution". Die Einigung unter den G7-Nationen ist wichtige Grundlage für eine weitere Einigung der G20-Staaten. Ziel ist es, Digitalkonzerne wie Apple oder Google stärker zur Kasse zu bitten. Bisher werden Unternehmensteuern nur am Firmensitz fällig, aber nicht in den Ländern, wo die Konzerne ihre Umsätze erzielen. Das führte dazu, dass viele Unternehmen ihren Firmensitz in Länder mit niedrigeren Unternehmensteuern verlagerten.
"Sehr gute Nachricht"
„Die sieben wichtigsten Industrienationen haben sich heute hinter das Konzept einer Mindestbesteuerung für Unternehmen gestellt“, sagte Scholz der Deutschen Presse-Agentur. „Das ist eine sehr gute Nachricht für die Steuergerechtigkeit und die Solidarität, und eine schlechte Nachricht für Steueroasen in aller Welt.“ Konzerne könnten sich nun nicht mehr ihrer Steuerpflicht entziehen.
Multinationale Konzerne, darunter viele Internet-Riesen wie Google, Facebook und Amazon, zahlen dank geschickter Gewinnverlagerungen vergleichsweise wenig Steuern - und meist auch nicht dort, wo sie ihre Umsätze machen. Zugleich sind sie die großen Gewinner der Coronavirus-Krise. Die Rufe nach einer faireren Besteuerung von Unternehmen sind deswegen zuletzt immer lauter geworden, zumal die Schulden vieler Staaten wegen der Pandemie in die Höhe geschossen sind.
Reaktionen
Schwung in die seit Jahren stockenden Gespräche hat US-Finanzministerin Janet Yellen gebracht - unter anderem mit dem Vorschlag einer Mindeststeuer von 15 Prozent, der nun angenommen wurde. In den USA haben die größten Internet-Firmen ihren Sitz. Yellen sagte, die Mindeststeuer könne den Wettlauf vieler Staaten zu immer niedrigeren Steuersätzen beenden, der die vergangenen 30 Jahre geprägt hat. Der Wettbewerb zwischen Staaten werde so fairer.
Ein US-Regierungsvertreter ergänzte, durch die Vereinbarung falle der Grund für nationale Digitalsteuern weg, die vor allem US-Konzerne treffen. Es werde in den nächsten Monaten weitere Verhandlungen dazu auf Ebene der Finanzminister und der Regierungschefs geben. Ähnlich äußerte sich der britische Finanzminister und G7-Gastgeber Rishi Sunak: Das globale Steuersystem, das zu großen Teilen noch aus den 1920er Jahren stammt, müsse dringend fit für das digitale Zeitalter gemacht werden. Dies könne nun gelingen.
Deutlich mehr als 15 Prozent wohl unrealistisch
Digitalsteuern einzelner Länder seien bei einer globalen Lösung nicht mehr nötig. Viele Experten fürchten, dass es einen noch größeren Flickenteppich nationaler Digitalsteuern geben würde, sollten die Verhandlungen auf internationaler Ebene
noch scheitern. Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire bekräftigte, sich eine höhere Mindeststeuer zu wünschen. Die 15 Prozent seien ein Startpunkt.
Deutlich mehr halten Experten allerdings für unrealistisch. Schon in Europa wäre dies umstritten. In der EU locken unter anderem Irland, Luxemburg und die Niederlande große Konzerne mit niedrigen Sätzen. Dorthin und in Steueroasen wurden deswegen immer mehr Gewinne aus Patenten, Software oder auf geistigem Eigentum basierenden Lizenzeinnahmen verlagert, um nicht die höheren Steuern zuhause zahlen zu müssen.
Irischer Minister zurückhaltend
Technisch würde die Mindeststeuer auf Unternehmensgewinne im Ausland anfallen. Jede Regierung könnte zwar noch ihre eigenen Sätze festlegen. Zahlt ein Konzern im Ausland aber
beispielsweise zwölf Prozent, könnte das Heimatland des Unternehmens die Differenz zur Mindeststeuer verlangen.
Der irische Finanzminister Paschal Donohoe klang nach der G7-Einigung zurückhaltend: An dem Prozess der Industriestaaten-Organisation OECD für eine weltweite Steuerreform seien fast 140 Länder beteiligt, sagte er. Jede Einigung müsse den Interessen großer, aber auch kleiner Länder dienen. Irland hat einen Steuersatz von 12,5 Prozent.
"Chancen haben sich erhöht"
Für die EU sprach Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni von einem großen Schritt: „Die Chancen für einen globalen Deal haben sich signifikant erhöht.“ Im Juli treffen sich die G20-Staaten in Venedig - die Industrienationen also erweitert um die wichtigsten Schwellenländer wie China, Indien und Brasilien. Dann dürfte sich zeigen, ob die G7-Einigung hält. „Es ist
kompliziert und dies ist ein erster Schritt“, so der Brite Sunak.
Eine globale Mindeststeuer von 15 Prozent würde laut einer Studie der Europäischen Union zusätzlich 50 Milliarden Euro in die Kassen spülen. Einer früheren OECD-Schätzung zufolge könnte die geplante globale Steuerreform pro Jahr bis zu 100 Milliarden Dollar zusätzlich bringen. Das wären bis zu vier Prozent der jetzigen Einnahmen aus der Besteuerung von Unternehmen.
Blümel begrüßt Einigung
Österreichs Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) begrüßte die Einigung der G7-Finanzminister in London. Das Finanzministerium rechnet bei einer internationalen Umsetzung des globalen Mindeststeuersatzes von 15 Prozent mit mindestens drei Milliarden Euro Mehreinnahmen für den österreichischen Staat.
„Es braucht auf globaler Ebene mehr Steuergerechtigkeit und faire Rahmenbedingungen für die Unternehmen, davon profitieren auch heimische Betriebe. Wir hoffen, dass die Einigung unter den G7-Ländern auch zu einer raschen Lösung auf OECD-Ebene führen wird“, so Blümel in einer Stellungnahme gegenüber der Austria Presse Agentur. „Wichtig ist, dass diese Steuergerechtigkeit vor allem auch zwischen digitalen und analogen Geschäftsmodellen gilt. Gerade die internationalen Digitalkonzerne sind Gewinner der Covid-Krise und daher wurde die Notwendigkeit für ein faires Regelwerk durch die Pandemie verstärkt“, so der Finanzminister weiter.
Österreich habe sich schon 2018 im Rahmen des österreichischen EU-Ratsvorsitzes für eine einer einheitliche Digitalsteuer stark gemacht. Nachdem eine Einigung aufgrund der Einstimmigkeitsregel nicht erzielt werden konnte, sei eine nationale Regelung in Österreich umgesetzt worden, betonte Blümel: „Im letzten Krisenjahr haben wir durch die Digitalsteuer mehr als doppelt so viel eingenommen als zu Beginn budgetiert. Damit haben wir den ersten Schritt für mehr Steuergerechtigkeit erzielt. Eine globale Lösung sorgt dafür, dass mehr Fairness zwischen den Ländern erreicht wird. Es kann nicht sein, dass nur die Geschäfte vor Ort Abgaben zahlen, das muss auch für die internationalen Digitalkonzerne gelten“, unterstrich der Finanzminister abschließend.