Frankreichs "Fall Arigona"
Von Danny Leder
Sie sind nicht im Unterricht, wir auch nicht“, riefen tausende Mittelschüler, die am Freitag, in Paris und mehreren weiteren Städten, für die Rückkehr zweier ausgewiesener Migrantenkinder, einem Armenier und einer Roma aus einer kosovarischen Familie, demonstrierten. Die Schüler, die schon am Donnerstag aufmarschiert waren und nun Verstärkung durch Studenten-, Lehrer- und Elternverbände erhielten, könnten zumindest in einem Fall einen Sieg erringen.
Dort war die Absolventin einer Hotelfach-Ausbildung, unter Protesten der begleitenden Lehrerin und Klassenkameraden, aus einem Schulbus geholt worden. Die Dibranis, eine Roma-Familie, hielt sich seit 2009 in Frankreich auf. Seit 2011 lag ein Ausweisungsbescheid vor.
Ein Tabubruch
Die Regierung ließ unterdessen einen Untersuchungsbericht über die Ausweisung erstellen. Demnach könnte die Festnahme aus dem Schulbus heraus als Fehler eingestuft und die Ausweisung annulliert werden. Für Innenminister Manuel Valls wäre das eine erste Niederlage. Valls, der als harter Ordnungspolitiker auftritt und als populärstes Regierungsmitglied gilt, hatte die Ausweisung ursprünglich gerechtfertigt.
Spott für Innenminister Valls
Die grüne Wohnbauministerin Cecile Duflot resümierte mit ironischem Unterton: „Das wichtigste in dieser Sache ist die Veranschaulichung der Integration. Leonarda war fast fünf Jahre bei uns in der Schule, und jeder konnte bei ihren Interviews hören, wie sie perfekt Französisch spricht, noch dazu mit dem Akzent des Doubs. Das beweist, dass unsere Republik Kinder integriert, von wo auch immer sie kommen.“ Das war eine Retourkutsche für eine Äußerung von Valls, der behauptet hatte, Roma-Migranten wären wegen ihrer „Lebensart“ kaum integrierbar. Für Teile der französischen Öffentlichkeit ist diese Affäre auch der Anlass für eine Generalabrechnung mit dem Kurs der Staatsführung. Sie werfen Hollande vor, er würde sich den Wünschen der Unternehmerverbände und den Sparauflagen der EU allzu sehr fügen. Das würde dazu führen, dass etliche Wähler, die 2012 für Hollande gestimmt hatten, nunmehr aus Enttäuschung Wahlenthaltung üben. Tatsächlich haben die linken Regierungsparteien (SP und Grüne, stellenweise im Verbund mit der KP, die nicht an der Regierung beteiligt ist) bisher alle Lokalwahlen seit dem Amtsantritt von Hollande verloren. In drei von 12 Fällen verbuchte die Rechtsaußenpartei „Front national“ von Marine Le Pen spektakuläre Gewinne.