Gibt es bald Töpfe und Essbesteck aus Akw-Überbleibseln?
Von Simone Weiler
Sollen aus den übrig gebliebenen Materialien aus einem Atomkraftwerk Alltagsgegenstände wie Gabeln und Messer, Türgriffe oder Töpfe hergestellt werden? Der französische Energiekonzern EDF treibt das Projekt einer Recyclingfabrik in unmittelbarer Nähe des früheren Kernkraftwerks Fessenheim im Dreiländereck an der Grenze zu Deutschland und zur Schweiz voran.
200 Jobs möglich
Den Plänen zufolge sollen dort „sehr schwach radioaktive Metalle“ zu Barren aus Gusseisen oder Stahl verarbeitet werden. Die radioaktiven Elemente – rund 15 Prozent des gesamten Materials – würden abgetrennt und in Aufbereitungsanlagen für Atommüll geschickt. „Die Fabrik würde nach einem Kontroll-Prozess 20-Kilo-Barren aus Metall für jede Art der Verwendung herstellen“, sagte Laurent Jarry, der ehemalige Direktor des EDF-Standorts in Fessenheim, bei einer Pressekonferenz vor Beginn einer Bürgerdebatte.
An deren Ende im Februar wird über das Projekt abgestimmt. Dieses muss zudem noch ein Genehmigungsverfahren durchlaufen. Sollte es erfolgreich sein, könnte das „Technozentrum“ ab 2027 gebaut werden und Ende 2031 einsatzbereit sein. Nach den aktuellen Plänen würde es 450 Millionen Euro kosten und rund 200 Jobs in der Region schaffen.
Umstrittene Stilllegung
Im nächsten Jahr beginnt nach der Beseitigung aller Kernbrennstoffe der Rückbau des Atomkraftwerks Fessenheim. Die erstmalige Stilllegung von zwei Reaktoren in Frankreich durch den damaligen sozialistischen Präsidenten François Hollande im Jahr 2020 ist bis heute umstritten. Während Befürworter der Schließung auf das hohe Alter und regelmäßige Zwischenfälle verwiesen, warfen Kritiker Hollande eine politisch motivierte, ideologiegetriebene Entscheidung vor. Jahrzehntelang profitierten das Dorf und die ganze Region von dem Kraftwerk als wichtigem Arbeitgeber.
Ein ähnliches Verfahren wie jetzt von EDF geplant wird in Deutschland, Schweden und den USA bereits angewandt, um Metalle von ihren stark radioaktiven Elementen zu befreien, bevor sie zur Wiederverwendung in Barren eingeschmolzen werden. In Frankreich hob ein Ministererlass 2022 das bis dahin geltende Verbot der Rückgewinnung von schwach radioaktiven Abfällen unter bestimmten Bedingungen auf. Der französischen Kommission für unabhängige Forschung und Information über Radioaktivität (Criirad) zufolge bleibt allerdings immer eine winzige Menge an Radioaktivität im recycelten Produkt. Laut der Nationalagentur für Nuklearabfälle Andra handele es sich aber um ein „Niveau nahe der natürlichen Radioaktivität“.
Atomkraftgegner argumentieren, es gebe keine harmlose Schwelle für die Exposition gegenüber Radioaktivität. Jede noch so geringe Dosis berge ein Gesundheitsrisiko, warnte André Hatz von der Anti-Atomkraft-Vereinigung „Stop Fessenheim“: „Stellen Sie sich vor, dass sich eines Tages dieses radioaktive Eisen in den Federn Ihrer Matratze, Ihren Töpfen oder in Metallteilen des Kinderwagens Ihres Babys befindet.“